Freitag, 2. Juni 2017

Rache für den Seitensprung: Der Scheinvater-Regress. Aber Achtung: Verjährung droht!

Wenn eine Ehe in die Brüche geht, ist das für viele scheinbar der richtige Zeitpunkt, alte Verdachtsmomente wieder aufzufrischen: Dieses Kind kann doch nicht mein Sohn sein, auch wenn ich ihn jetzt schon zwölf Jahre großziehe!

Also: Genetische Untersuchung zur Klärung der leiblichen Abstammung, § 1598 a BGB. Und siehe da: Treffer! Der Ehemann ist nicht der Vater!
Also treten wir sofort das Vaterschaft-Anfechtungsverfahren los. Ergebnis: Der Ehemann ist nicht der Vater!
Beschämend für den Ehemann: Dem Jugendamt gegenüber gibt die Mutter an, in der Empfängniszeit (also in der Ehe) sowohl mit dem Antragsteller als auch mit mehreren anderen Männern Geschlechtsverkehr gehabt zu haben, an deren Namen sie sich nicht mehr erinnern könne.
Für der Ehemann ist jedoch klar: Es muss derjenige sein, der schon vor der Ehe sein "Vorgänger" war, den die Ehefrau auch zeit der Ehe immer einmal wieder mit träumerischem Augenaufschlag erwähnte und mit dem sie jetzt doch tatsächlich noch einmal ein Verhältnis eingegangen ist.

Und bei diesem Mann würde der Ehemann nun gern einen Scheinvater-Regress geltend machen, also die Unterhaltsforderung seines Sohnes gegen diesen Mann, die nach § 1607 Abs. 3 BGB auf ihn übergegangen ist. Nur: das ist nicht so einfach. Denn dazu müsste zunächst einmal eigentlich festgestellt sein, dass dieser Mann tatsächlich der Vater ist. Und zu dieser Feststellung führt kein Weg: Weder erkennt der Rivale die Vaterschaft an noch leiten Mutter oder das bei der Mutter lebende Kind ein entsprechendes gerichtliches Verfahren ein (was nicht weiter verwundert; müsste doch nach derzeitiger Rechtslage Unterhalt für zwölf Jahre nachgezahlt werden!). Und der gehörnte Ehemann - der hat kein eigenes Antragsrecht!

Und auch kein Auskunftsrecht gegen die Mutter! Das hatte der BGH dem Vater jahrelang zugestanden, bis das Bundesverfassungsgericht anders urteilte: Mit der Entscheidung vom 24.2.2015 (Az. 1 BvR 472/14) stärkte das BVerfG die Grundrechte der Mütter so genannter Kuckuckskinder. Sie müssen den Scheinvätern keine Auskunft darüber geben, wer als Erzeuger ihres Kindes in Frage kommt. Die Verfassungsrichter kommen zu dem schlichten Schluss, dass das Gesetz dafür keine Grundlage bietet.

Und bevor nicht die Vaterschaft des biologischen Vaters auch rechtswirksam festgestellt ist, können die Auswirkungen dieser seiner Vaterschaft gegen ihn auch nicht geltend gemacht werden, § 1600 d IV BGB. "Rechtsausübungssperre" nennt das der Familienjurist.

Pech gehabt? Sackgasse? Nicht ganz. Der Scheinvater kann diese "Rechtsausübungssperre" durchbrechen und den mutmaßlichen biologischen Vater trotz fehlender Vaterschaftsfeststellung in Anspruch nehmen, wenn ein Vaterschaftsfeststellungsverfahren voraussichtlich auf längere Zeit nicht stattfinden wird, BGH Fam RZ 2008, 1424. Dann kann er den Mann trotzdem auf Unterhalt verklagen und dessen Vaterschaft inzident in diesem Leistungsprozess feststellen lassen, vergleiche Palandt, § 1600 d Rz. 17.

Und genau an dieser Stelle tickt die Zeitbombe der Verjährung:

 "Denn (wenn und) soweit im Verhältnis zwischen dem Scheinvater und dem mutmaßlichen Erzeuger eine inzidente Feststellung der Vaterschaft als Klärung der Vorfrage der Unterhaltspflicht zulässig ist, ... kann § 1600 d IV BGB kein rechtliches Hindernis für die gerichtliche Durchsetzung des übergegangenen Unterhaltsanspruchs darstellen...", führt der BGH in seiner aktuellen Entscheidung vom vom 22.3.2017 – Az.: XII ZB 56/16 aus.
Und weiter: "Weiterhin setzt der Beginn der Verjährung nach  § 199 Absatz I Nr. 2 BGB  als subjektives Element die erforderliche Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners voraus. Diese Kenntnis hat der Gläubiger nicht erst dann, wenn der Anspruch bewiesen ist oder der Gläubiger selbst keinerlei Zweifel mehr hat. Es reicht vielmehr aus, dass dem Gläubiger aufgrund der ihm bekannten Tatsachen eine gerichtliche Geltendmachung seines Anspruchs bei verständiger Würdigung der Erfolgsaussichten zuzumuten ist, was andererseits nicht bedeutet, dass die Rechtsverfolgung für den Gläubiger risikolos erscheinen muss."

Also droht mir als Scheinvater mein Regressanspruch zu verjähren, wenn ich

1. meine eigene Vaterschaft erfolgreich angefochten habe,
2. mir klar ist, dass niemand einen Finger rührt, um den tatsächlichen Vater feststellen zu lassen und
3. mir mit einiger Wahrscheinlichkeit der tatsächliche Vater bekannt ist.

Liegen diese drei Voraussetzungen vor, beginnt ab dem Ende des Jahres, ab dem sie vorliegen, die Verjährungsfrist zu laufen und endet drei Jahre später, §§ 195, 199 BGB.

Und so war es auch in dem vom BGH zu entscheidenden Fall: Für den gehörnten Ehemann lagen die drei Voraussetzungen irgendwann während des Jahres 2010 vor. Trotzdem konnte er sich bis Ende 2013 nicht zu einer Klage gegen den mutmaßlichen biologischen Vater entschließen. Und damit war er mit seinen Ansprüchen außen vor.


Wieder eine Haftungsfalle mehr für uns Familienrechtler :-( Denn  sicher wird der BGH der Ansicht sein, dass derjenige, der den Scheinvater im Anfechtungsverfahren vertritt, diesen auch über die drohende Verjährung des Scheinvaterregresses aufklären muss...