Dienstag, 6. Juni 2017

Kammergericht: Kein Einblick der Eltern in die Facebook-Konten verstorbener Kinder.

Fernmelderecht vor Erbrecht - so entschied das Kammergericht.

Der Sachverhalt: Die vierzehnjährige Tochter verstarb unter tragischen Umständen. Sie wurde auf einem Bahnsteig von einem einfahrenden Zug erfasst.
Die Verstorbene hatte ein Facebook-Konto und dort privat gechattet. Diesen Chat wollten die Eltern nun einsehen, um herauszufinden, ob sich das Kind mit Selbstmord-Gedanken getragen hatte.

Die Eltern waren gemeinsam Erben des Kindes und machten gegenüber Facebook Auskunfts-Ansprüche aus im Erbgang übergegangenem Recht geltend.

Facebook verweigerte den Zugriff auf die privaten Chats und verwies auf den Datenschutz. Das Kammergericht gab Facebook - wenn auch mit Bauchgrimmen - recht:

Nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 2009 müsse auf den vorliegenden Sachverhalt das im Fernmelderecht niedergelegte Fernmeldegeheimnis angewandt werden. Das Bundesverfassungsgericht entschied, dass dieses Fernmeldegeheimnis auch für E-Mails gelte. Das Kammergericht erweitert diese Ansicht dahingehend, dass es dann auch für private Chats gelten müsse.

Wenn die Geheimhaltungspflicht vielleicht auch insoweit nicht gelte, als die Erben eines verstorbenen Anspruch auf Kenntnisnahme von Äußerungen des Verstorbenen hätten, so sei aber jedenfalls die Privatsphäre all derjenigen Personen schützenswert, mit denen der Verstorbene korrespondiert hätte. Wenn nicht all diese Personen Befreiung vom Fernmeldegeheimnis erteilen, ist also ein Zugriff auf Chats nicht möglich.

Die Eltern hatten zwar Zugriffs-Daten von Facebook zur Verfügung, jedoch hatte Facebook den Account der Tochter, nachdem der Gesellschaft anonym der Tod des Kindes gemeldet worden war, in den so genannten "Gedenkzustand" versetzt, in dem bisherige Chat-Partner die Chats noch weiter einsehen und auch beispielsweise Beileidsbekundungen abgeben können. In diesem Zustand kann allerdings mit den normalen Zugangsdaten des Verstorbenen auf das Konto nicht mehr zugegriffen werden.

Weitergeholfen hätte den Eltern unter Umständen ein Testament des Kindes, in dem dieses über seinen digitalen Nachlass bestimmt hätte.

Kammergericht, Urteil vom 31.05.2017 - Aktenzeichen 21 U 9/16 = Beck RS 2017, 111509