Donnerstag, 29. Juni 2017

In Straubing gilt das alte Recht, oder: Wenn Richter unbedingt einen Vergleich wollen

Plötzlich wird der Sitzungssaal zur Zeitmaschine. Der Richter, der in einem Trennungsunterhalts-Verfahren unbedingt einen Vergleich will, versetzt sich kurz entschlossen in den vor dem 1.1.2008 geltenden Rechtszustand und behauptet steif und fest, allein der Umstand, dass eine Ehefrau zwei minderjährige Kinder (zehn und zwölf Jahre alt) zu betreuen habe, lasse die Vermutung zu, Sie könne nicht ganztags arbeiten (sie arbeitet übrigens überhaupt nicht).

Ich bete ganze Leier herunter (die ich im übrigen bereits dreimal schriftsätzlich episch ausgebreitet habe):
  • Sobald das Trennungsjahr vorbei ist, sind auf den Trennungsunterhalt die gleichen Grundsätze anzuwenden wie auf den nachehelichen Ehegattenunterhalt.
  • Sobald die Kinder drei Jahre alt sind, ist für einen Unterhaltsanspruch nur dann schlüssig vorgetragen, wenn Tatsachen vorgebracht werden, aus denen sich ergibt, dass und warum die Ehefrau nicht beruflich tätig sein kann.
  • Für den Anspruch ist weiter nur schlüssig vorgetragen, wenn Tatsachen vorgetragen werden, aus denen sich ergibt, warum eine Drittbetreuung der Kinder nicht möglich ist.
  • Eine Vermutung dafür, dass minderjährige Kinder nicht drittbetreut werden können und dass wegen der Betreuung minderjähriger Kinder nicht gearbeitet werden kann, gibt es im Gegensatz zum alten Recht nicht mehr.
Gemessen an diesen, vom BGH und vom Gesetzgeber des Jahres 2007 aufgestellten Grundsätzen ist die Unterhaltsklage der Gegenseite natürlich unschlüssig. Und unschlüssige Klagen sind keine Grundlage für den Abschluss eines Vergleichs. Darauf weise ich hin und darauf, dass diese Grundsätze inzwischen auch vom OLG München verinnerlicht worden sind.

Allein der Hinweis auf die Möglichkeit, sein Judiz in höherer Instanz zur Diskussion zu stellen, treibt dem Richter die Zornesröte auf die Wangen. Ich beharre, insistiere. Alte Reminiszenzen an meine Zeit als Strafverteidiger kommen hoch, und für fünf Minuten wird aus einem Unterhaltsprozess eine Konfliktverteidigung. Insbesondere, als der Richter durch kaum versteckte Hinweise der Gegenseite Schützenhilfe zu geben versucht, wie man den Antrag im Termin vielleicht doch noch schlüssig machen kann. Ich richte mich geistig bereits auf eine Richter-Ablehnung ein und zücke schon Stift und Block, umn loszuformulieren. 

Aber der Mandant will natürlich ein Ende des Verfahrens. Außerdem versteht man sich im Hinblick auf die Kinder inzwischen wieder ganz gut und hat jetzt sogar bei der Betreuung ein Wechselmodell installiert.

Ergebnis: Knapp 40 % der von der Gegenseite verlangten Summe wird nun doch noch vergleichsweise gezahlt.

Manchmal fragt man sich, wozu der Gesetzgeber eigentlich die Gesetze und der BGH die Rechtsprechung ändert. Am Straubinger Landrecht scheinen nach meinem gestrigen Eindruck diese Bemühungen jedenfalls vorbeigegangen zu sein.

Jedenfalls dann, wenn der Richter unbedingt einen Vergleich will.