Montag, 29. Mai 2017

BGH zum Elternunterhalt: Berechnungsmodus zur Berücksichtigung der Betreuungsleistungen, die der Unterhaltsverpflichtete für ein minderjähriges Kind erbringt.

Der pflegebedürftige Vater ist im Heim untergebracht. Die Tochter ist vollschichtig erwerbstätig und betreut zugleich ein elf jähriges Kind. Sie lebt von ihrem Mann getrennt. Dieser zahlt für das Kind Barunterhalt in Höhe von Euro 235,00, wobei er das hälftige Kindergeld bereits abgezogen hat.

Das Oberlandesgericht Bamberg (vom 14. März 2016,7 UF 92/15) will zur Berechnung des Elternunterhalts das Einkommen der Tochter herabsenken, weil sie für ihr Kind Betreuungsleistungen erbringt. Es monertarisiert diese Betreuungsleistungen, indem es den Barunterhalt ermittelt, denn die Tochter für ihr Kind bezahlen müsste, wäre sie barunterhaltspflichtig; Abzugsbetrag ist laut OLG also der fiktiv zu zahlende Unterhalt gemäß Düsseldorfer Tabelle.

Der BGH ist der Ansicht, dass dieser Rechenweg nicht der richtige ist. Er rechnet anders: Grundsätzlich leitet sich die Lebensstellung minderjährige Kinder von beiden Elternteilen ab. Der Bedarf des Kindes ist damit (wie beim Unterhalt volljähriger Kinder) aus dem zusammengerechneten Einkünften beider Eltern zu ermitteln. Von diesem Bedarf ist der vom Vater gezahlte Barunterhalt mit Euro 235,00 sowie das hälftige Kindergeld abzuziehen (die zweite Hälfte ist ja bereits beim Barunterhalt des Vaters berücksichtigt). Nur der verbleibende Differenzbetrag mindert das für die Berechnung des Elternunterhalts maßgebliche Einkommen der unterhaltspflichtigen Tochter.

Der der Tochter jetzt verbleibende hälftige Kindergeldbetrag ist für sie nicht zusätzliches Einkommen, denn sie ist verpflichtet, ihn ebenfalls für Betreuungsleistungen aufzubringen, die nicht zum originären unterhaltsrechtlichen Bedarf des Kindes zählen (der BGH bildet als Beispiel: Eigenes Eintrittsgeld des betreuenden Elternteils bei Begleitung des Kindes zu einer Veranstaltung).

Ein Berechnungsbeispiel:

Bereinigtes Einkommen der Tochter: 3000,00 €
bereinigtes Einkommen von deren Exmann: 1500,00 €
Basis für die Bedarfsbemessung des Kindesunterhalts somit: 4500,00 €
Unterhalt aus diesem Betrag gemäß Düsseldorfer Tabelle für ein elf jähriges Kind: Euro 598,00
abzüglich vom Exmann gezahlter Euro 235,00
abzüglich 1/2 Kindergeld: Euro 92,00
Differenz: Euro 271,00

Diese Differenz ist für die Kindesbetreuung vom bereinigten Einkommen für die Ermittlung des Elternunterhalt abzuziehen.

Das OLG wäre auf einen höheren Betrag gekommen nämlich:
Kindesunterhalt aus dem Einkommen der Tochter von 3000,00 € = Euro 472,00
abzüglich 1/2 Kindergeld: Euro 92,00
Abzugsbetrag: Euro 380,00.

Grundsätzlich ist denkbar, dass die Tochter im Hinblick auf ihre Betreuungspflicht dem Kind gegenüber überobligatorisch arbeitet. Dann wäre ihr Einkommen - auch im Hinblick auf den Elternunterhalt - entsprechend zu mindern. Im vorliegenden Falle lagen dafür jedoch keine Anhaltspunkte vor.

BGH vom 15. Februar 2017, XII ZB 201/16