Montag, 16. Mai 2016

Vater tötet Mutter des Kindes. BGH gewährt ihm trotzdem VKH für das Umgangsverfahren

In einer spektakulären Entscheidung macht der Bundesgerichtshof klar, wie hoch er das verfassungsrechtliche Recht von Vater und Kind auf Umgang miteinander Einerseits und das Grundrecht von "Rechtsschutzgleichheit"andererseits ansiedelt:

Der Vater begehrt Verfahrenskostenhilfe für ein Umgangsrechtsverfahren. Er ist Vater eines 2011 geborenen Kindes. Im Oktober 2013 tötete er seine Ehefrau, die Mutter des Kindes in deren Wohnung, in der sich auch das Kind aufhielt. Im Mai 2014 wurde er unter anderem wegen Totschlags rechtskräftig zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwölf Jahren verurteilt und befindet sich seither in Strafhaft. Er begehrt nun die gerichtliche Regelung von Umgangskontakten zwischen ihm und seinem Kind und sucht hierfür um Verfahrenskostenhilfe nach.

Das Amtsgericht verwehrt ihm diese mit der Begründung, aufgrund der Vorgeschichte verbiete sich ohnehin ein Umgang. Überdies sei die beabsichtigte Rechtsverfolgung mutwillig, da der Antragsteller öffentliche Mittel für ein Verfahren beantrage, das er durch ein vorangegangenes schwerwiegendes und vorsätzliches Fehlverhalten selbst ausgelöst habe. Durch die Straftat habe er das Zusammenleben mit dem Kind mutwillig selbst beendet und deshalb das Umgangsverfahren selbst verursacht.

Das OLG ist zwar der Meinung, dass zumindest denkbar sei, dass durch vorsichtige Umgangskontakte dem Kind der Verlust auch der zweiten Bezugsperson erspart werde und deshalb der Umgang nicht von vornherein ausgeschlossen sei. Allerdings folgt das OLG bei der Beurteilung der Mutwilligkeit den Argumenten des Amtsgerichts.

Der BGH gewährt Verfahrenskostenhilfe. Das Umgangsrecht habe Verfassungsrang, und ein verfassungsmäßiges Grundrecht müsse auch dem Straftäter gewährt werden, der eine Straftat wie die vorliegende begangen habe. Die Rechtsverfolgung sei nach § 114 Abs. 2 ZPO nur dann mutwillig, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beanspruchen könne, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht. Damit könne hier nicht von vornherein von Mutwilligkeit ausgegangen werden. Denn auch das OLG sei ja der Meinung, unter gewissen Umständen könne ein Umgang Sinn machen. In einem solchen Falle müsse aber auch dem Straftäter das in Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz verbürgte Grundrecht der Rechtsschutzgleichheit gewährt werden.

Und im übrigen weist der BGH nochmals (Rz. 26 der Entscheidung) ausdrücklich darauf hin, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sich eine extensive Auslegung des Begriffs der Mutwilligkeit verbiete.

BGH vom 13. April 2016, Aktenzeichen XII ZB 238/15