Donnerstag, 10. April 2014

BGH: Im Rahmen des Gewaltsschutzes kann auch die Räumung einer Wohnung gerechtfertigt sein, die nicht gemeinsam bewohnt wird.

Die Beteiligten sind miteinander verheiratet, leben aber getrennt. Die Trennung war von erheblichen Auseinandersetzungen geprägt. Vor dem Amtsgericht liefen mehrere Verfahren nach dem Gewaltsschutzgesetz, in denen gegen den Ehemann ein Näherungs- ,Betretungs- und Kommunikationsverbot ausgesprochen wurde.

Im weiteren Verlauf zog die Ehefrau aus der bisherigen Ehewohnung in ein Mehrfamilienhaus um. Dem Ehemann gelang es, unter Vorspiegelung eines falschen Namens die direkt unter der Wohnung der Antragstellerin liegende Wohnung anzumieten. Damit führte er weitere Begegnungen zwischen den Parteien herbei, die die Ehefrau erheblich beeinträchtigten.

Das Amtsgericht verbot dem Ehemann, solche Begegnungen im Treppenhaus weiter herbeizuführen, erließ nochmals ein Kontakt-und Kommunikationsverbot, verpflichtete ihn aber nicht, die Wohnung unter derjenigen der Ehefrau aufzugeben. Das dagegen zum OLG eingelegte Rechtsmittel der Ehefrau fruchtete nicht. Der BGH (Beschluss vom 26. Februar 2014, XII ZB 373/11) aber gab ihr letztinstanzlich Recht und stellte fest:

§ 1  GewSchG stellt eine verfahrensrechtliche Vorschrift dar und regelt daher keinen eigenständigen materiellrechtlichen Anspruch, sondern setzt ihn voraus.
Die materiellrechtliche Grundlage eines nach § 1 GewSchG  durchsetzbaren Anspruchs ergibt sich aus der entsprechenden Anwendung von § 1004 BGB auf die in § 1 GewSchG genannten  Rechtsgüter, die wie das Eigentum absolut geschützt sind, nämlich diejenigen auf Unversehrtheit von Körper, Gesundheit und auf Freiheit.
Die Verpflichtung eines Gewalttäters zur Aufgabe einer von ihm und dem Opfer nicht gemeinsam genutzten Wohnung kann Gegenstand eines Anspruchs des Opfers entsprechend § 1004 BGB und Inhalt einer Anordnung nach § 1 GewSchG sein, wenn sich eine solche Anordnung als rechtlich nicht zu beanstandendes Ergebnis der einzelfallbezogenen Abwägung der kollidierenden Grundrechte von Gewaltopfer und -täter als verhältnismäßig darstellt.


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