Donnerstag, 13. Februar 2014

Der BGH und der Elternunterhalt - Alter Wein in neuen Schläuchen

Internet und Blätterwald sind voll mit Nachrichten über die aktuelle Entscheidung des BGH zum Elternunterhalt. Wieder einmal scheint der BGH ein ungerechtes Verdikt getroffen zu haben: Selbst der Vater,der den Kontakt zu seinem Sohn abbricht, soll später trotzdem von ihm noch Unterhalt bekommen können. Und wie immer ergibt sich ein ganz anderes Bild, wenn man näher hinsieht:

1. Zunächst war die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs immer schon restriktiv, wenn es darum ging, Elternunterhalt nach § 1611 BGB verwirken zu lassen. Nur in Ausnahmefällen ging er und ging mit ihm auch die Instanz-Rechtsprechung davon aus, dass "... die Inanspruchnahme des Verpflichteten grob unbillig..." wäre. Die Rechtsprechung geht nur dann von einer Verwirkung aus, wenn eine im Bereich des Elternteils gesetzte Ursache beim im Anspruch genommenen Kind so erhebliche Beeinträchtigungen hervorgerufen hatte, dass dessen Inanspruchnahme schlechthin unverständlich wäre (BGH vom 21.4.2004, XII ZR 251/01 = FamRZ 2004, 1097, hier die Pressemitteilung dazu). In diesem Fall hatte es der BGH mit einem Sachverhalt zu tun, in dem der Vater kriegsbedingt schwer psychisch geschädigt war, nach Kriegsende 50 Jahre lang in stationärer psychiatrischer Behandlung war und die auf Unterhalt in Anspruch genommene Tochter im Kindesalter wegen dieser krankheitsbedingten Kontaktlosigkeit erhebliche Einbußen an Lebensqualität erlitten hatte.

2. An Fälle wie diesen kam der konkret zu entscheidende (XII ZB 607/12 vom 12.2.2014 - hier die Pressemitteilung ) nicht hin. Die Eltern hatten sich getrennt, als der Sohn bereits volljährig war, wobei der Sohn im Haushalt der Mutter verblieb. 1972 legt er dann im Alter von 19 Jahren das Abitur ab, und dann brach der Kontakt zum Vater vollständig ab. Der Eltern-Kind-Kontakt "versickerte" also einfach. Irgendwelche weiteren dramatische oder gar traumatische Umstände, die auf den Vater zurückzuführen gewesen wären, gab es nicht.
Zu Recht hat der BGH in diesem Fall geurteilt, das der Abbruch des Kontaktes zwar gegen die familiäre Verpflichtungen zu Beistand und Rücksicht gemäß § 1618 a BGB verstoßen habe, für sich gesehen aber keine schwere Verfehlung im Sinne von § 1611 BGB darstelle.
Denn immerhin kann man - und so hat die Rechtsprechung schon früher geurteilt - ja auch dem volljährigen Kind den Vorwurf machen, aus Mangel an familiäre Gesinnung den Kontakt selber nicht gesucht zu haben (so zutreffend Hauß, Elternunterhalt: Grundlagen und Strategien, D. II. 2.).

3. das bedeutet aber nun nicht, dass es nicht auch Einzelfälle geben könnte, in denen man zu einer groben Unbilligkeit im Sinne von § 1611 BGB kommen könnte. Denkbar sind "Verstoßungen", verbunden mit der Weigerung, dem Kind wichtige Hilfestellungen zu geben. Ganz ausgeschlossen ist also die Anwendung von § 1611 Abs. 1 S. 1 Alt. 3 BGB nicht. Sie greift eben nur eng begrenzten Ausnahmefällen.

Und insoweit ist dasjenige, was der BGH entschieden hat, weder neu noch besonders revolutionär.


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