Dienstag, 9. Dezember 2014

OLG Köln: Erstreckung von VKH auf den Vergleich erfasst bei Mehrvergleich auch Termins-und Verfahrensdifferenzgebühr.

Eine sehr anwaltsfreundliche Entscheidung!

Das Amtsgericht hatte mit Beschluss vom 4.9.2012 die bereits bewilligte VKH auf den Abschluss eines Vergleichs erweitert. Dieser Beschluss erfasse im Zweifel den gesamten zuvor verhandelten Verfahrensabschnitt, d.h. auch die Verhandlungen und Erörterungen die dem Vergleichsabschluss vorausgegangen sein, entschied das OLG Köln (15.4.2013 = 10 WF 38/13 = FamRZ 2014, 1874) unter Bezugnahme auf OLG Schleswig, FamRZ 2012, 1416 ( vergleiche auch OLG Köln vom 29. 4. 2013, 25 WF 235/12 = FamRZ 2014, 1875).

Die Entscheidung ist gut begründet. Trotzdem sollte man sich außerhalb des OLG-Bezirks Köln vergewissern, ob das vor Ort zuständige OLG eine ähnliche Rechtsprechung hat. Das OLG München beispielsweise ist in diesem Punkt bei weitem nicht so anwaltsfreundlich. Hier muss man - gegebenenfalls gegen den Willen, gegen das Verständnis und gegen Unmutsäußerungen des Richters - darauf bestehen, dass die Verfahrenskostenhilfe "auf Verhandlung und Vergleich" erstreckt wird, andernfalls Terminsgebühr und Verfahrensdifferenzgebühr nicht aus der Staatskasse erstattet werden (Manchmal werden sie trotzdem nicht erstattet).
Anderer Ansicht sind beispielsweise auch das OLG Dresden, FamRZ 2014, 1877 und das OLG Koblenz, FamRZ 2014, 1877, vergleiche ferner ablehnend auch OLG Celle, FamRZ 2014, 1878 und OLG Dresden, FamRZ 2014, 1879.

Montag, 8. Dezember 2014

OLG Dresden: Wer VKH gewährt bekommen hat, kann auch seine Reisekosten geltend machen, muss das aber bald tun.

Der in Baden-Württemberg wohnende Antragsgegner hatte in einem familienrechtlichen Verfahren in Sachsen VKH beantragt und bekommen. Er musste zu einem Anhörungstermin anreisen. Nach dem Termin beantragte er, ihm aus der Staatskasse die Fahrtkosten zu erstatten. Der Bezirksrevisor wollte ihm das nicht genehmigen und verwies auf die VwV- Reiseentschädigung.

Das OLG Dresden kam ihm zumindest ein Stück weit entgegen: Mit der Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe erwirkt die begünstigte Partei ohne weiteres einen Anspruch darauf, dass notwendige Reisekosten zur Wahrnehmung eines Gerichtstermins, zu dem sie persönlich geladen ist, von der Staatskasse übernommen werden. Auf die VwV- Reiseentschädigung kommt es insoweit nicht an. Es bedarf auch keiner besonderen richterlichen Anordnung zur Übernahme der Kosten.

Legt die Partei allerdings trotz bewilligter Verfahrenskostenhilfe notwendige Reisekosten aus eigenen Mitteln vor, muss sie Ihre Aufwendungen innerhalb einer angemessenen Zeit nach dem wahrgenommenen Termin gegenüber der Staatskasse abrechnen, weil sonst eine tatsächliche Vermutung dafür besteht, dass die Partei trotz ihrer Bedürftigkeit im Übrigen zur Aufbringung der Reisekosten selbst in der Lage gewesen ist. Ein Zeitraum von 20 Monaten zwischen dem Zeitpunkt der Entstehung der Kosten und deren Abrechnung ist grundsätzlich nicht mehr angemessen und schließt eine Kostenerstattung daher aus.

OLG Dresden vom 6.12.2013 = 20 WF 1161/13 = FamRZ 2014, 1872

Freitag, 5. Dezember 2014

OLG Karlsruhe: "Monte-Carlo-Vergleich" auch im Unterhaltsrecht möglich!

Die Parteien hatten vor dem Amtsgericht einen äußerst pfiffigen Unterhaltsvergleich geschlossen, und das OLG Karlsruhe hielt die Regelung für wirksam:

Entgegen der ständigen Rechtsprechung der unteren süddeutschen Familiengerichte wurde der Unterhaltsschuldner im Vergleich nur dazu verpflichtet, für sein Kind 150 € monatlich Kindesunterhalt zu zahlen (also wesentlich weniger als den Basisunterhalt). Die Mutter behielt sich im Vergleich aber vor, eine Abänderung dieser Regelung verlangen zu können, sollte der Vater mit der Unterhaltszahlung mehr als einen Monat in Rückstand geraten.
Damit schlossen die Parteien also eine "Monte-Carlo-Vereinbarung" ab, also eine Wette dahingehend, dass der eine darauf setzt, einen geringeren Betrag regelmäßig zahlen zu können als denjenigen, den er eigentlich schuldet. Sein Wettgewinn ist dabei, dass ihn der Rest der Zahlung erlassen wird. Der andere hält gegen, dass er sich mit dem geringeren Betrag zufrieden gibt, erfolgt die Zahlung tatsächlich pünktlich; erfolgte sie aber verspätet, kann er den ganzen Betrag verlangen. Geregelt wurde die Sache hier über eine - etwas ungewöhnliche - Abänderungsklausel.

Das OLG Karlsruhe verwies grundsätzlich noch einmal darauf, dass für Vergleiche grundsätzlich die Präklusionsvorschriften in § 238 Abs. 2, Abs. 3 FamFG nicht gelten. Vergleiche können abgeändert werden, sobald ihre Geschäftsgrundlage wegfällt. Die Regelung für den Wegfall der Geschäftsgrundlage können im Vergleich selbst vereinbart werden.

Zweck des Vergleichs war hier nach dem unbestrittenen Vortrag der Mutter die Hoffnung, der Vater werde zumindest im begrenzten Rahmen zur freiwilligen Unterhaltszahlung bereit sein. Sollte er aber nicht zahlen können, wollte die Mutter in der Lage sein, den Mindestunterhalt ohne Bindung an Vergleichsgrundlagen im Wege eines Abänderungsbegehrens erneut geltend machen zu können.

Das OLG Karlsruhe (Beschluss vom 8. April 2014,18 WF 32/14 = FamRZ  2014, 1852) hielt dies für zulässig und eröffnete damit eine weitere kreative Regelungsmöglichkeit für Unterhaltsvergleiche.

Neue Düsseldorfer Tabelle 2015 - Welche Auswirkungen hat die Erhöhung der Selbstbehaltssätze wirklich?

Wieder einmal stürzt sich die Presse auf eine im Unterhaltsrecht vorgenommene Korrektur und zieht daraus zumindest teilweise die falschen Schlüsse: Der Selbstbehalt des Unterhaltspflichtigen Elternteils gegenüber den minderjährigen Kindern habe sich beispielsweise von Euro 1000,00 auf Euro 1080,00 erhöht. Das habe zur Folge, dass nun viele wenig verdienende Unterhaltspflichtige plötzlich von ihrer Unterhaltspflicht befreit sein; für die Kinder müssen nun die Sozialhilfe einspringen.

Das ist so natürlich nicht richtig. Tatsache ist, dass sich die Auswirkungen der Erhöhung der Selbstbehalte in übersichtlichen Grenzen halten werden, insbesondere, was die Unterhaltspflicht gegenüber minderjährigen Kindern betrifft. Noch einmal zusammengefasst:

1. Minderjährigen Kindern gegenüber hat der Unterhaltspflichtige eine gesteigerte Unterhaltspflicht, § 1603 Abs. 2 BGB. Das bedeutet, dass er alle zumutbaren Erwerbsmöglichkeiten auszuschöpfen hat. Hat er das nicht getan, muss er sich so behandeln lassen, als ob er über ausreichendes Einkommen verfüge. D.h. nichts anderes, als dass in dann ein fiktives Einkommen zugerechnet wird.
Zwar darf dem Pflichtigen im Rahmen seiner gesteigerten Erwerbsobliegenheit nichts Unmögliches verlangt werden. Deswegen setzt die höchstrichterliche Rechtsprechung (BVerfG FamRZ 2012, 1283; BVerfG NJW 2012, 2420; BVerfG NJW-Spezial 2012, 517; BVerfG FamRZ 2010, 183; BVerfG NJW 2010, 1658; BGH FamRZ 2013, 1378; BGH NJW 2008, 3635 ) für den Ansatz eines fiktiven Einkommens voraus, dass schon subjektive Erwerbsbemühungen des Unterhaltsschuldners fehlen. Außerdem müssen die zur Erfüllung der Unterhaltspflichten erforderlichen Einkünfte für den Verpflichteten überhaupt objektiv erzielbar sein was wiederum von seinen persönlichen Voraussetzungen wie Alter, beruflicher Qualifikation, Erwerbsbiografie und Gesundheitszustand sowie krankheitsbedingten Einschränkungen und Vorhandensein entsprechender Arbeitsstellen abhängt. Dabei ist nach der Rechtsprechung eine konkrete Prüfung der Erwerbsmöglichkeiten erforderlich. In den gerichtlichen Entscheidungen , die ein fiktives Zusatzeinkommen zurechnen, müssen die erkennenden Richter zu Beispiel anhand von aktuellen Mindestlöhnen der verschiedenen Branchen konkret darlegen, welcher monatliche Bruttoverdienst erzielt werden könnte.

2. Reichen jedoch die Einkünfte des Pflichtigen zur Deckung des Mindestunterhalts seiner minderjährigen Kinder nicht aus, kann ihm zugemutet werden, in seiner Freizeit eine Nebentätigkeit (Getränkemarkt, Tankstelle, putzen, Gastronomie, Zeitungen austragen etc.) auszuüben. Die Zumutbarkeit solcher Nebentätigkeiten ist in der Rechtsprechung hoch umstritten. Das BverfG (BVerfG FamRZ 2003, 661) und der BGH (BGH FamRZ 2009, 314 = FF 2009, 122; vgl. hierzu Anm. mit Checkliste v. Bömelburg FF 2009, 127) berücksichtigen im jeweiligen Einzelfall die sich aus dem Hauptarbeitsverhältnis ergebenden Einschränkungen, die individuellen Verhältnisse des Verpflichteten (Arbeitszeit, Art der Arbeit, familiäre Verhältnisse, Gesundheitszustand, Alter, Belastbarkeit). Dabei sei der Maßstab der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Es sei immer zu prüfen, ob dem Unterhaltspflichtigen die zusätzliche Belastung zugemutet werden könne.

3. Allerdings - und das führt dazu, dass sich auch durch den neuen Selbstbehaltssätze nichts Wesentliches ändern wird - liegt weiterhin die Darlegungs-und Beweislast beim Unterhaltspflichtigen. Dieser hat substantiiert darzulegen, dass er an der Aufnahme einer Nebentätigkeit im erforderlichen Umfang durch arbeitsrechtliche Bestimmungen, insbesondere durch §§ 3,6 und 9 Arbeitszeitgesetz gehindert ist. Er muss weiterhin substantiiert vortragen, dass auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt keine für ihn geeignete Nebentätigkeit vorhanden ist und dass und aus welchen Gründen ihm die Aufnahme einer Nebentätigkeit unter Abwägung seiner besonderen Lebens- und Arbeitssituation sowie seiner Gesundheit nicht zuzumuten ist (BVerfG NJW 2012, 2420).
Was dann letztlich zumutbar ist, entscheidet der Richter. Und es gibt nach wie vor genügend Richter, die sich auf den nicht ganz unberechtigten Standpunkt stellen, dass man sich für seine minderjährigen Kinder ein gehöriges Stück weit auspowern und finanziell krumm legen muss. Wer also nicht mindestens 48 Stunden wöchentlich arbeitet und nicht nachweist, dass er keinen besser bezahlten Job bekommen oder einen solchen aus irgendwelchen persönlichen Gründen keinesfalls ausüben kann, der wird mit dem Einwand, sein Selbstbehalt würde unterschritten, nicht weit kommen. Die Gerichte werden durchgängig ein weiteres fiktives Einkommen zurechnen.

4. Fundstellen zum Thema:

Schnitzler/Bömelburg, Anwaltshandbuch Familienrecht, § 6, Rn. 150 ff.
Wendl/Klinkhammer, das Unterhaltsrecht in der familiengerichtlichen Praxis, § 2, Rn. 366 ff:
Gerhardt/Seiler, Handbuch des Fachanwalts Familienrecht, Kapitel 6, Rn 322 ff.
Palandt, § 1603, Rn 40 ff.

Neue Düsseldorfer Tabelle - Das Original

Natürlich gibt es jetzt zahllose Veröffentlichungen zur neuen Düsseldorfer Tabelle - an der nur neu ist, dass sich die Selbstbehaltssätze erhöht haben. Die Unterhaltssätze werden vermutlich im Laufe des nächstens Jahres angepasst werden, sobald sich der Kinderfreibetrag erhöht hat. Bis dahin gelten die alten Sätze weiter.

Das Original der Veröffentlichung des OLG Düsseldorf finden Sie auf dessen Internetseiten, und zwar hier. Zum downloaden, damit man nicht immer hinterhersurfen muss.

Donnerstag, 4. Dezember 2014

OLG Bremen: Wer in der Ehe gemeinsame Schulden überproportional zahlt, kann nach der Trennung nichts herausverlangen.

Die Eheleute hatten in der Ehe gemeinsam ein Darlehen aufgenommen. Dieses Darlehen hatte die Ehefrau während der Ehe allein zurückgeführt und auch nach der Trennung allein weiter Zahlungen geleistet. Bis zur Trennung hatte sie weit mehr als die Hälfte des Darlehens abbezahlt. Sie verlangte nun vom Ehemann insoweit eine Ausgleichszahlung, als Sie mehr als die Hälfte des Darlehens abbezahlt hatte.
Dem wollte das OLG Bremen nicht folgen. Es stellte sich auf den Standpunkt, dass während der intakten Ehe geleisteten Zahlungen unter der stillschweigend geschlossenen Vereinbarung des Inhalts erfolgen, dass derjenige, der während der intakten Ehe die Kreditrückzahlung ausschließlich übernommen hat, später keinen gesamtschuldnerischen Ausgleich hierfür vom anderen Ehegatten verlangen kann. Dass die Ehefrau während der Ehe also mehr als die Hälfte der Kreditsumme zurückgeführt hatte, fand daher nach dem OLG Bremen bei einem Gesamtschuldnerausgleich für die Zeit nach der Trennung der Eheleute keine Berücksichtigung.
Für die Zahlungen allerdings, die die Ehefrau nach der Trennung geleistet hatte, konnte sie Ausgleich in Höhe der Hälfte verlangen.

OLG Bremen vom 3. Juli 2014, 4 UF 43/14 = FamRZ 2014, 1847.

Stichworte: Gesamtschuldnerausgleich, anderweitige Regelung, anderweitige Vereinbarung, § 426 BGB

Mittwoch, 3. Dezember 2014

Trennung und Scheidung: Anspruch auf Gesamtschuldnerausgleich lebt wieder auf, aber...!

... nicht immer, wie das OLG Brandenburg jetzt festgestellt hat.

Die Zahlung ehebedingter Verbindlichkeiten ist während der Ehe oft eindeutig geregelt. Häufig zahlt sie einer alleine, so dass insoweit eine "anderweitige Regelung" nach § 426 BGB getroffen ist. Diese anderweitige Regelung fällt aber im Zeitpunkt der Trennung nach allgemeiner Meinung weg, und der Gesamtschuldner-Ausgleichsanspruch lebt wieder auf, so zum Beispiel OLG Brandenburg, FamRZ 2003, 378 und OLG Saarbrücken, FamRZ 2010, 1902, vergleiche auch Handbuch des Fachanwalts Familienrecht, 10. Kapitel, Rn. 119.
Davon macht das OLG Brandenburg jetzt eine gewichtige Ausnahme: Die während des Zusammenlebens getroffene "anderweitige Vereinbarung" bleibt bestehen, wenn während des Zusammenlebens einer der beiden Beteiligten allein gemeinsame Verbindlichkeiten (im konkreten Fall Mietschulden, Versorgungsleistungen und die EZ-Forderungen) von seinem eigenen Konto absprachegemäß zu begleichen hatte und auf dieses Konto auch noch das Einkommen des anderen geflossen ist.

OLG Brandenburg, 9 UF 69/14 = FamRZ 2014,1847 (Ls.)

Dienstag, 2. Dezember 2014

Achtung! BGH nochmals: Fristverlängerungsantrag für Beschwerdebegründung muss beim Beschwerdegericht eingereicht werden!

...und weil ein Kollege das nicht beachtete, versäumte er trotz an sich rechtzeitiger und sorgfältiger Reaktion leider die Beschwerdefrist:

Der Beschluss des Amtsgerichts war am 21. November 2012 zugestellt worden. Die Frist zur Begründung der Beschwerde lief also am 21 Januar 2013 ab. Schon am 15. Januar beantragte der Kollege per Telefax beim Amtsgericht (also beim falschen Gericht) Fristverlängerung. Am 21 Januar, also am Tage des Fristablaufs ließ er seine Kanzleiangestellte beim Amtsgericht anrufen und nachfragen. Sie erhielt die Auskunft, die beantragte Fristverlängerung sei genehmigt.
Das allerdings war so nicht richtig. Das Amtsgericht leitete am gleichen Tag die Akten nur ans zuständige OLG weiter, wo sie erst am 23 Januar eingingen.
Damit war die Frist versäumt; das OLG gewährte deshalb keine Fristverlängerung mehr, auch eine Wiedereinsetzung gewährte es nicht, und dem schloss sich der BGH an.
Der Rechtsanwalt habe hohen Sorgfaltsanforderungen zu genügen. Die Klärung der Gerichts-Zuständigkeit falle in seinen Verantwortungsbereich. Er müsse also sorgfältig prüfen, wohin er seinen Fristverlängerungsantrag richte. Daran ändere auch nichts, dass der Kanzleiangestellten mitgeteilt worden sei, die Frist sei verlängert. Zu diesem Zeitpunkt habe nämlich der Anwalt bereits fehlerhaft gehandelt. Ihm sei bereits zuzurechnen, dass er den Fristverlängerungsantrag beim falschen Gericht eingereicht habe; die fehlerhafte Auskunft des Amtsgerichts habe diesen Fehler nicht wieder gutmachen können.

BGH vom 20. 8. 2014, XII ZB 155/13 = FamRZ 2014,1845

Montag, 1. Dezember 2014

AG München - Kindesunterhaltsklage? Termin beim Jugendamt hilft Kosten vermeiden!

Der Kindsvater hatte sich ausdauernd geweigert, Kindesunterhalt in der richtigen Höhe zu zahlen. Die Kindsmutter hatte ihn zur Erstellung eines Jugendamts-Titels aufgefordert. Der Vater reagierte mit Schweigen, weshalb die Mutter bei Gericht Verfahrenskostenhilfe-Antrag stellte, um grünes Licht für die Titulierung des Kindesunterhalts-Anspruchs bei Gericht zu bekommen. Durch diesen Verfahrenskostenhilfe-Antrag aufgeschreckt, vereinbarte der Kindsvater jetzt einen Termin zur Erstellung einer Jugendamts-Urkunde. Das Jugendamt gewährte ihm diesen Termin auch, allerdings - wegen Arbeitsüberlastung - erst 2 Monate später. Der Vater versäumte nun, der Mutter mitzuteilen, dass er bereits einen Termin beim Jugendamt habe, die Sache aber noch etwas dauere. Die Mutter erhobenen Klage auf Kindesunterhalt, und das Gericht legte dem Vater später die Kosten auf, obwohl einen Jugendamt-Titel nachschob.
Diese Kostenfolge hätte der Vater laut Gericht vermeiden können, hätte er die Mutter rechtzeitig davon informiert, dass er nun alles erdenkliche für die Erstellung eines Titels getan hatte. Denn dann hätte die Mutter keine Klage mehr einreichen dürfen.

Amtsgericht München, Beschluss vom 17.11.2014,  Az.: 543 F 11429/14 - nicht veröffentlicht

Dienstag, 8. Juli 2014

Kippt BVerfG Seitensprung-Rechtsprechung des BGH?

Die Parteien führten eine "lockere Beziehung", die eine Schwangerschaft im Gefolge hatte. Noch vor der Niederkunft im Oktober 1991 heiratete man. Damit wurde der Ehemann nach § 1592 Nr. 1 BGB leiblicher Vater.
2005 erfolgte die Scheidung. Danach focht der Ehemann die Vaterschaft an. Tatsächlich stellte ein Gutachter und ihm folgend das Familiengericht fest, dass er nicht der Vater war. Da er zumindest zeitweise für den Unterhalt des Kindes aufgekommen war und jetzt nach § 1607 Abs. 3 BGB Regressansprüche gegen den tatsächlichen Vater geltend machen will, verlangt der Ehemann von der Mutter Auskunft über den tatsächlichen Vater. Familiengericht und OLG verurteilen die Mutter zur Auskunft unter Bezugnahme auf die ständige Rechtsprechung des BGH (zuletzt XII ZB 412/11 = FamRZ 2013, 939): Eine Auskunftspflicht der Mutter bestehe gurndsätzlich, wenn die durch die Ehe begründete Vaterschaft erfolgreich angefochten sei.
Die Mutter erhebt dagegen Verfassungsbeschwerde: Müsse sie Auskunft über sexuelle Beziehungen aus einer Zeit geben, in der sie nicht verheiratet gewesen sei und nur in einer lockeren Beziehung gelebt habe, stelle dies einen prinzipiell unzulässigen Eingriff in den unantastbaren Bereich privater Lebensgestaltung dar. Selbst wenn die Auskunft grundsätzlich gefordert werden könne, für eine Interessenabwägung im konkreten Fall dazu, dass sie keine Auskunft erteilen müsse. Denn eventuelle Regressansprüche des Scheinvaters gegen den leiblichen Vater seien verjährt oder verwirkt. Dem Ex-Ehemann gehe es nur darum, sie bloßzustellen.

Das BVerfG ( 1 BvR 472/14 = FamRZ 2014, 1097) erlässt eine einstweilige Anordnung zugunsten der Mutter. Bis zur Entscheidung des BVerfG über die Beschwerde muss sie nicht Auskunft geben. Prinzipiell sei nicht völlig ausgeschlossen, dass eine erzwungene Preisgabe der geforderten intimen Informationen gegen das Grundgesetz verstoße.

Dienstag, 17. Juni 2014

OLG Koblenz: Bei VKH keine Erstattung von Prozess- und Verfahrensdifferenzgebühr aus der Staatskasse

Seit langem ist es streitig, ob bei sog. "Mehrvergleichen", also in Fällen, in denen Gegenstände mitverglichen werden, die nicht rechtshängig gemacht wurden, die Prozessdifferenzgebühr und ggf. auch die Verfahrensdifferenzgebühr aus der Staatskasse zu erstatten ist.

Weit verbreitet ist die Ansicht, dass es reicht, die "Erstreckung der Verfahrenskostenhilfe auf den Vergleich" zu beantragen, um damit zu erreichen, dass die Gebühren erstattet werden können.
Im Bereich des OLG München muss die "Erstreckung der Verfahrenskosten Hilfe auf Verhandlung und Vergleich" beantragt werden, damit es zu einer Erstattung der höheren Terminsgebühr kommen kann.
Das OLG KOblenz vertritt nun eine sehr rigide und anwaltsfeindliche Meinung. Hier die Leitsätze der Entscheidung vom 19.05.2014, Az. 13 WF 369/14 = Beck RS 2014, 11409

1. Die Höhe der aus der Staatskasse im Rahmen der Prozess-/Verfahrenskostenhilfe an den beigeordneten Rechtsanwalt zu erstattenden Gebühren bestimmt sich nach dem Beschluss, durch den die Prozess-/Verfahrenskostenhilfe bewilligt wird.

2. Eine Bewilligung von Prozess-/Verfahrenskostenhilfe für die Differenzverfahrensgebühr und die Terminsgebühr aus dem nicht anhängigen Vergleichsgegenstand ist grundsätzlich nicht möglich, da mangels Anhängigkeit des vom Mehrvergleich betroffenen Regelungsgegenstandes eine Prüfung der Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung oder der Rechtsverteidigung nicht stattfinden kann.

3. Die Bewilligung der Prozess-/Verfahrenskostenhilfe für den Abschluss eines Mehrvergleichs umfasst (von den Fällen des § RVG § 48 RVG § 48 Absatz III RVG abgesehen) nicht die Differenzverfahrens- und Differenzterminsgebühr.

4. Eine Regelungslücke kann nach Änderung des § RVG § 48 RVG § 48 Absatz III RVG durch das 2. KostRMoG nicht mehr angenommen werden; der Gesetzgeber hat in Kenntnis der streitigen Problematik von einer Regelung zu Gunsten der beigeordneten Rechtsanwälte abgesehen.

Wie gesagt: Andere Gerichtsbezirke, andere Sitten. Häufig ist die Erstattung eben doch möglich, wenn man sich nur an die ortsüblichen Regeln hält. Und falls - wie in Koblenz gar nichts geht, bleibt immer noch der Weg, keinen Mehrvergleich abzuschließen, sondern die nicht rechtshängigen Ansprüche rechtshängig zu machen und sich dann in einem neuen Verfahren zu vergleichen - was die Staatskasse häufig teurer kommt!

Montag, 16. Juni 2014

BGH: Die strengen deutschen Namensregeln gelten auch für Kinder die zusätzlich US-Bürger sind!

Beide Eltern sind Deutsche. Sie haben keinen Ehenamen gewählt, sondern ihre Namen behalten. Die Mutter, Fr. Prof. Müller und der Vater Dr. Maier leben zwar derzeit in Deutschland. Frau Prof. Müller hat aber einen Lehrstuhl in den USA und will nach Ende des Mutterschaftsurlaub auch nach dorthin zurückkehren. Dr. Maier lebt und arbeitet zwar bevorzugt in Deutschland, pendelt aber häufig in die USA. Der gemeinsame Sohn Eric ist in den USA zur Welt gekommen und hat damit nicht nur die deutsche, sondern auch die amerikanische Staatsbürgerschaft. Die Eltern haben ihm in den USA den - nach US-Recht zulässigen - Geburtsnamen Eric Maier-Müller gegeben.

Da Eric jetzt mit der Mutter für eine Weile in Deutschland lebt, soll er auch ins deutsche Namensregister eingetragen werden. Die Eltern sprechen beim Standesamt deswegen vor und beantragen, das Kind mit dem Namen Eric Maier-Müller einzutragen.
Die Standesbeamtin weigert sich unter Hinweis auf § 1617 Abs. 1 BGB und das OLG München gibt ihr Recht.

Nach deutschem Recht kann als Geburtsname nur der Ehenahme oder - falls es keinen solchen gibt - entweder der Name des Vaters oder der Mutter eingetragen werden, nicht aber - anders als nach US-Recht - ein aus Vater- und Muttername gebildeter Doppelname. Daran ändert auch die doppelte Staatsbürgerschaft des Jungen nichts. Zahlreiche Verfassungsrechtliche Bedenken, die die Eltern gegen die Vorschrift geltend gemacht hatten, ließ das OLG nicht gelten.

OLG München vom 19.05.2014, Az. 31 Wx 130/14 = BeckRS 2014, 10871

Montag, 2. Juni 2014

Umzug - Kanzlei Kaßing bekommt neue Räume - "Schraubst Du noch, oder wohnst Du schon?"

Am 1.6.2014 war es so weit: Wir sind ins Nachbarhaus umgezogen, und die neue Kanzlei-Adresse lautet nun:

Kanzlei Kaßing
Löwengrube 12
80333 München

Alle übrigen Kontaktdaten bleiben dieselben.

Da ich aber zugleich auch privat umziehe, werde ich mit den üblichen Arbeiten (Hämmern, Bohren, Schrauben, Schleppen, Durchdrehen etc.) noch eine gute Woche beschäftigt sein. Die nächsten Blog-Beiträge gibts dann erst wieder gegen Mitte Juni - frühestens... ;-)

Bis dahin.

Gerhard Kaßing
Rechtsanwalt

Dienstag, 27. Mai 2014

Auch dem befangenen Richter darf man noch Schriftsätze schicken.

Befangene Richter können auch im Zivilprozess abgelehnt werden, § 42 ZPO. Auch wenn sich die Befangenheit nur gegen eine der Parteien richtet, steht das Ablehnungsrecht in diesem Falle beiden Parteien zu.

Eine Partei kann einen Richter wegen Besorgnis der Befangenheit jedoch nicht mehr ablehnen, wenn sie sich bei ihm, ohne den ihr bekannten Ablehnungsgrund geltend zu machen, in eine Verhandlung eingelassen oder Anträge gestellt hat, § 43 ZPO .

Der BGH hat nun festgestellt, dass durch das Einreichen eines die mündliche Verhandlung nur vorbereitenden Schriftsatzes sich eine Partei noch nicht in eine Verhandlung vor dem als befangen abgelehnten Richters eingelassen hat (Beschluss vom 16.1.2014, XII ZB 377/12). Mit anderen Worten: auch wenn ich den Richter abgelehnt habe, kann ich mich ihm gegenüber noch schriftsätzlich äußern, insbesondere durch vorbereitende Schriftsätze die mündliche Verhandlung vorbereiten und insbesondere gesetzte Frist wahren.

Montag, 26. Mai 2014

BGH zur Wiedereinsetzung bei Versäumung der Beschwerdefrist, wenn zugleich VKH-Antrag gestellt wird.

Wer gegen ein erstinstanzliches Urteil Beschwerde einlegt, deren Durchführung jedoch von der Gewährung von Verfahrenskostenhilfe abhängig machen will, muss innerhalb der Beschwerdefrist einen Verfahrenskostenhilfe-Antrag bei Gericht anbringen. Wird die Verfahrenskostenhilfe nicht vor Ablauf der Beschwerdefrist gewährt, ist diese Frist eigentlich versäumt. Da der Beschwerdeführer aber mangels gewährter VKH an der Einlegung der Beschwerde gehindert war, kann er nach Gewährung der VKH Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragen.

Der BGH hat hierzu zusätzlich festgestellt (Beschluss vom 16.1.2014, XII ZB 571/12): Stellt ein Verfahrensbeteiligter in einer Familienstreitsachen vor Einlegung der Beschwerde einen isolierten Verfahrenskostenhilfe Antrag, beginnt die Frist zur Nachholung der versäumten Verfahrenshandlungen (hier: Einlegung der Beschwerde) erst mit der Bekanntgabe der Entscheidung des Beschwerdegerichts über die beantragte Beiordnung eines Rechtsanwalts.

Freitag, 23. Mai 2014

Begrenzung des Unterhalts nach § 1578 b BGB: OLG Brandenburg sieht Beweislast auch beim Antragsteller.

Nachehelicher Ehegattenunterhalt kann nach § 1578 b BGB der Höhe nach begrenzt oder zeitlich befristet oder beides werden, wenn eine Fortzahlung des Unterhalts unbillig wäre. Für die Frage, wer hier was zu beweisen hat, hat der BGH Regeln aufgestellt. Es liegt am Unterhaltspflichtigen, vorzutragen und grob zu skizzieren, weshalb seine Unterhaltspflicht jetzt zu begrenzen ist. Der Unterhaltsberechtigte hat dann im Detail vorzutragen und zu beweisen, warum der Unterhalt weiter bezahlt werden muss (sogenannte sekundäre Darlegungslast). Ist das geschehen, muss der Unterhaltspflichtige wiederum im Detail vortragen und beweisen, weshalb die Voraussetzungen nicht vorliegen, die eine Fortzahlung des Unterhalts rechtfertigen.

Hiervon scheint das OLG Brandenburg (Beschluss vom 24. 10. 1013, 9 UF 96/13 = NZFam 2014, 140) nun abweichen zu wollen. Berufe sich der Unterhaltspflichtige auf eine Begrenzung des nachehelichen Unterhalts, trage er die Darlegungs-und Beweislast hinsichtlich der hierfür sprechenden Tatsachen, somit auch dafür, dass dem Unterhaltsberechtigten keine ehebedingten Nachteile entstanden sind. Anschließend treffe dann den Unterhaltsberechtigten eine sekundäre Darlegungslast dahingehend, dass er die Behauptung, es sei keine ehebedingten Nachteile entstanden, substantiiert bestreiten und seinerseits darlegen muss, welche konkreten ehebedingten Nachteile noch vorhanden sein sollen.
Des OLG nimmt also im Vergleich zum BGH zulasten des Unterhaltspflichtigen eine Verschärfung von dessen Beweislast vor.

Das OLG definiert ferner die Obergrenze des Einkommens, ab dem der Unterhalt nicht mehr nachQuote berechnet sondern ab dem eine konkrete Bedarfsermittlung erforderlich wird. Bei durchschnittlichen Einkommensverhältnissen genüge die Kostenberechnung, erst bei überdurchschnittlichen Einkünften über Euro 5.100,00 monatlich sei eine konkrete Unterhaltsberechnung erforderlich.

Donnerstag, 22. Mai 2014

Scheidung zu früh einreichen wird immer gefährlicher!

Eine der sachlichen Voraussetzungen für eine Scheidung ist, dass die Eheleute mindestens ein Jahr voneinander getrennt leben. Kann man das nicht vortragen, weil man die Scheidung z.B. schon nach acht Monaten Trennung einreicht, ist der Scheidungsantrag eigentlich nicht schlüssig! Die meisten Scheidungsrichter lassen verfrühte Scheidungsanträge trotzdem durchgehen, wenn man davon ausgehen kann, dass das Trennungsjahr verstrichen sein wird, wenn der Scheidungstermin stattfindet, und daher wird die Masse der Scheidungen tatsächlich bereits schon acht Monate nach der Trennung eingereicht.

Das OLG Hamm (Beschluss vom 9. April 2013,1 UF 25/13 = FamRZ 2014, 208) weist aber darauf hin, dass ein verfrühter Scheidungsantrag zwar dem Wunsch der Parteien entgegenkommt, die Sache möglichst schnell zu beenden, jedoch auch unter Umständen unerwünschte Nebenfolgen haben kann. Die verfrühte Einreichung der Scheidung wirkt sich nämlich z.B. auf die Stichtage zum Zugewinn und zum Versorgungsausgleich aus und kann Trennungsunterhaltsansprüche eher wegfallen lassen. Reicht ein Ehegatte die Scheidung ein, um hier dem anderen gegenüber unlautere Vorteile zu erreichen, muss das Gericht reagieren. Wer sich der andere Ehegatte gegen die Scheidung, muss den Scheidungsantrag mangels Schlüssigkeit zurückweisen. Legt der Antragstellerin Beschwerde ein, um Zeit zu gewinnen, und ist dann in der Beschwerdeinstanz das Trennungsjahr versprechen, hilft das dem Antragsteller auch nicht weiter. Nach der Ansicht des OLG Hamm darf auch in diesem Falle dem nun durch Zeitablauf schlüssig gewordenen Scheidungsantrag trotzdem nicht stattgegeben werden, weil ich in die Stichtage unzulässig weit vorverlegt worden sind und diese nachteilige Auswirkungen auf die Ansprüche des Antragsgegners haben würde.

Aus Anwaltssicht muss daher der Mandant, der einen frühzeitigen Scheidungsantrags will, auf die Folgen des frühzeitigen einreichen nachdrücklich hingewiesen werden. Insbesondere muss man prüfen, wer von den beiden Ehepartnern durch die Vorverlegung des Stichtags welche Vorteile und welche Nachteile erleidet und dies dem Mandanten gegenüber thematisieren.

Mittwoch, 21. Mai 2014

BGH: Bei "Mehrverkehr" kann es unbillig sein, dem Vater die gesamten Kosten des Vaterschafts-Feststellungsverfahren zu überbürden.

Die Mutter hatte bereits zu Beginn des Verfahrens "Mehrverkehr" also sexuelle Kontakte zu mehreren Männern innerhalb des Empfängniszeitraums eingeräumt. Sie sei aber sicher, dass der auf Vaterschaftsfestellung verklagte Mann der Vater ihres Kindes sei. Dieser weigert sich unter Hinweis auf den Mehrverkehr, die Vaterschaft anzuerkennen. Ein serologisches Gutachten stellte seine Vaterschaft anschließend fest und das Gericht legt ihm die Verfahrenskosten auf. Seine dagegen eingelegt Beschwerde ist erfolgreich. Der BGH (Entscheidung vom 19.02.2014, Az. XII ZB 15/13) führt aus, angesichts des eingeräumten Mehrverkehrs habe der Mann berechtigte Zweifel an seiner Vaterschaft haben dürfen, und deshalb sei ihm ein sofortige Anerkenntnis nicht zuzumuten gewesen.

Das Gericht habe die Kosten des Verfahrens nach § 81 FamFG den Beteiligten "nach billigem Ermessen" aufzuerlegen, und das OLG habe sein Ermessen nicht billig ausgeübt, indem des den Vater allein in die Kostenpflicht genommen habe. Bei der Kostenverteilung dürfe nie außer Acht gelassen werden, inweifern ein Beteiligter Anlassg für die Durchführung des Verfahrens gegeben habe. Wie hoch der Verursachungsanteil der Ehefrau wegen ihres Mehrverkehrs war, hat der BGH offengelassen. Das OLG jedenfalls habe sein Ermessen fehlerhaft, nämlich gar nicht ausgeübt, in dem es diesen Gesichtspunkt außen vorgelassen habe.

Dienstag, 20. Mai 2014

OLG Hamm: Ausübung des Kapitalwahlrechts kann im Rahmen des Versorgungsausgleichs unzulässig sein.

Inzwischen hat der BGH mehrfach entschieden, dass ein Ehegatte berechtigt ist, im Angesicht des Versorgungsausgleichs ein Versorgungsanrecht, hinsichtlich dessen er ein Kapitalwahlrecht hat, durch die Ausübung desselben dem Versorgungsausgleich zu entziehen, vgl. z.B. BGH XII ZB 22/13  v. 6.11.2013, NZFam 2014, 33. Der Wert des nun nicht mehr in den Versorgungsausgleichs fallenden Anrechts sei jedoch jetzt beim Zugewinnausgleich zu berücksichtigen, so der BGH.

Was jedoch, wenn ein Zugewinnausgleich nicht stattfindet, weil die Eheleute Gütertrennung vereinbart haben? Dann liegt nach OLG Hamm, Entscheidung vom 15.11.2013, Az. 14 UF 107/13 eine illoyale Verfügung i.S.v. § 27 VersAusglG vor. Der Ehemann habe sein Versorgungsvermögen illyoal geschmälert. Das werde insbesondere durch den Zeitpunkt der Ausübung des Kapitalwahlrechts indiziert, denn der Ehegatte hatt die Aktion während des Laufs des Scheidungsverfahrens vorgenommen. Ihm sei bewußt gewesen, dass ein Ausgleich über das Güterrecht nicht stattfinde.

Es komme nicht darauf an, ob durch die Aktion ein wirtschaftliches Ungleichgewicht entsteht, denn sein solches sei nicht Voraussetzung für eine illoyale Verfügung i.S.v. § 27 VersAusglG .

Montag, 19. Mai 2014

OLG Brandenburg: Beim Zugewinn kann Auskunft über einen mehrjährigen Zeitraum nur indirekt verlangt werden

Die Ehefrau verlangt vom Ehemann Auskunft über den Wert von dessen GmbH-Anteil und im Zuge dessen Auskunft über "sein Vermögen der GmbH im Zeitraum von 2006 bis 2008". Der wahre Wert des Firmenanteils lasse sich nur ermitteln, wenn man die Umsatzzahlen der letzte Jahre vor dem Stichtag (Februar 2009) kenne. Das OLG Brandenburg hält fest ( Beschluss v. 28.11.2013, 9 UF 112/13 = BeckRS 2013, 22393): Die Auskunft nach § 1379 I BGB über das Vermögen zu den jeweiligen Stichtagen ist nicht über einen mehrhärigen Zeitraum zu erteilen, da sie stets allein stichtagsbezogen ist. Seinem Sinn und Zweck nach erfasst § 1379 I BGB jedoch auch die Vorlage von Bilanzen nebst Gewinn- und Verlustrechnungen samt Anlagen, wenn diese zur Beurteilung der Ertragslage eines Unternehmens oder einer Unternehmensbeteiligung erforderlich sind. Diese Unterlagen können für einen länger zurückliegenden, etwa einen Drei-Jahres-Zeitraum verlangt werden. Grundsätzlich sei die Ertragslage in der Vergangenheit bedeutend, um den Geschäftswert zum Stichtag ermitteln zu können.

Zu weiteren Details vgl. NJW-Spezial, 2014, S.69.

Freitag, 16. Mai 2014

Schwanger trotz Kondom? - BGH: Das muss man immer einkalkulieren.

Er und Sie heirateten am 12.3.2004. Am 21. 04. 2004 wurde ein Sohn geboren. Im Jahre 2008 trennte man sich wieder. Im Juli 2009 ficht die Ehefrau die Vaterschaft des Ehemannes an. Sie habe während der Empfängniszeit auch Geschlechtsverkehr mit einem weiteren Mann gehabt. Tatsächlich stellt sich heraus, dass der Ehemann nicht Vater des Kindes ist.

Der BGH versagt der Mutter die Anfechtung der Vaterschaft, weil sie die Klage nicht innerhalb von 2 Jahren nach der Geburt des Kindes erhoben habe.
Die Mutter habe aufgrund des Geschlechtsverkehrs mit einem weiteren Mann bereits vor der Geburt des Kindes Kenntnis von Umständen gehabt, die die nicht ganz fernliegende Möglichkeit der Abstammung des Kindes von einem anderen Mann ergäben. Daran ändere auch nichts, dass bei diesem Geschlechtsverkehr Kondome verwendet worden seien,  denn das schließe nicht hinreichend sicher aus, dass der das Kondom benutzende man nicht doch Vater des Kindes sein könne. Das ergebe sich aus der recht hohen Versagensquote bei einer Verhütung mit Kondomen.
Insoweit verweist der BGH auf seine frühere Rechtsprechung: Es sei allgemein bekannt, dass die Zuverlässigkeit der Empfängnisverhütung mit Kondomen deutlich geringer sei als die anderer Verhütungsmittel wie etwa der "Pille". Der BGH nimmt Bezug auf den "Pearl-Index", eine Untersuchung, die ergeben hat, dass bei regelmäßiger Verwendung von Kondomen 2-12 % der Frauen innerhalb eines Jahres schwanger werden. Zwar könne die Kenntnis der Größenordnung dieser Versagensquote nicht allgemein vorausgesetzt werden; dass Kondome jedoch nicht hundertprozentig vor Schwangerschaft schützen, zähle zum Allgemeinwissen.
Wenn die Mutter also vor der Ehe mit einem anderen Mann kondomgeschützten Geschlechtsverkehr gehabt habe, habe Sie bereits bei Geburt des Kindes gewusst, dass es die nicht ganz fernliegende Möglichkeit gab, dass das Kind nicht vom Ehemann sondern von eben diesem anderen Mann abstammen könne. Damit habe mit der Geburt des Kindes die Frist des § 1600 b I 1 BGB zu laufen begonnen. Die Frist sei abgelaufen, weshalb eine Anfechtung nun nicht mehr möglich sei.

Urteil vom 11.12.2013, XII ZR 58/12 = NJW 2014,629

Donnerstag, 15. Mai 2014

BGH: Nutzungsvergütung für die Ehewohnung auch bei aufgedrängter alleiniger Nutzung

Gemeinsam mit ihren 4 Töchtern bewohnten die Ehegatten ihr Eigenheim. 1998 übertrugen sie ihr Miteigentum zu gleichen Teilen auf die Kinder und behielten sich ein lebenslanges dingliches Wohnrecht vor. Der Wohnwert des Anwesens betrug unstreitig Euro 1200,00.
2009 trennten sich die Eheleute, und die Ehefrau zog aus. Der Ehemann verblieb mit den 4 Töchtern und einem Enkelkind in der Wohnung. 2012 wurde die Ehe geschieden. 2011 macht die Ehefrau erstmals Nutzungsentschädigung in Höhe von 600 € monatlich geltend. Das OLG sprach der Ehefrau monatlich Euro 250,00 zu, und das goutierte der BGH (Entscheidung vom 18.12.2013, XII ZB 268/13 = Beck RS 2014,01831). Ein Anspruch auf Vergütung für die alleinige Nutzung der Ehewohnung während der Trennung ergebe sich aus § 1361 b Abs. 3 Satz 2 BGB. Nach dem Wortlaut der Vorschrift komme es dabei lediglich auf die tatsächliche Überlassung der Ehewohnung an. Unerheblich sei, ob der ausziehende Ehegatte die Wohnung freiwillig verlassen und damit dem verbleibenden Ehegatten die alleinige Nutzung aufgedrängt habe. Allein die Tatsache, dass die Verpflichtung des bleibenden Ehegatten entfalle, die Nutzung durch den anderen Ehegatten zu dulden, führe zu einem auszugleichenden Vorteil. Die nunmehrige alleinige Nutzungsmöglichkeit begründe unter Umständen sogar einen erhöhten Wohnwert.
Der vom OLG veranschlagte Betrag von Euro 250,00 sei angemessen, da neben den Einkommensverhältnissen der Eheleute auch zu berücksichtigen sei, dass die Wohnung nicht nur durch den Ehemann sondern auch von den 4 Töchtern samt Enkelin genutzt werde. Deshalb sei es angemessen, nur eine Nutzungsvergütung von rund 1/5 des Wohnwertes zuzusprechen.

Mittwoch, 14. Mai 2014

BGH: kein Rentnerprivileg bei Unterhaltszahlung an einen Dritten

Der Ehemann bezieht seit 2009 eine Vorruhestandsrente. Er zahlt Unterhalt an seine bei der Ehefrau lebende Tochter. Er beantragt, die Durchführung des Versorgungsausgleichs nach § 27 VersAusglG auszuschließen, hilfsweise, die Kürzung seiner Rentenbezüge wegen der Unterhaltszahlungen an die gemeinsame Tochter auszusetzen. Diesen Weg geht der BGH (Beschluss vom 11.12.2013, XII ZB 253/13 = Beck RS 2014,02115) nicht mit:
§ 27 VersAusglG sei in diesem Falle nicht einschlägig. Versorgungsbezüge eines Rentners könnten überdies nach § 33 VersAusglG nur dann gekürzt werden, wenn die ausgleichsberechtigte Person Unterhalt durch den Ausgleichsverpflichteten erhalte. Die Vorschrift könne nicht analog auf Sachverhalte angewandt werden, bei denen die Unterhaltszahlung an andere Personen, beispielsweise Kinder erfolge. Die Norm sei nicht einmal analogiefähig, da keine Regelungslücke vorliege.

Dienstag, 13. Mai 2014

OLG Hamm: Dienstwagen führt unterhaltsrechtlich zur Erhöhung des Einkommens

Der Unterhaltspflichtige hatte vom Arbeitgeber einen Dienstwagen zur Verfügung gestellt bekommen, dessen Nutzungsvorteil laut Gehaltsabrechnung Euro 236,00 betrug. Der Pflichtige war berechtigt, das Fahrzeug auch privat zu nutzen. Der Arbeitgeber übernahm die vollen Kosten für den Pkw, also auch die Benzinkosten. Der Pflichtige trug im Prozess vor, er benutze den Wagen praktisch nicht privat. Er fahre ihn nur dienstlich und hole mit dem Fahrzeug seine Tochter zum Umgang ab. Ansonsten fahre nur Motorrad.
Das OLG Hamm war trotzdem der Meinung, dass die private Nutzungsmöglichkeit das Einkommen des Pflichtigen erhöhe und deshalb beim Unterhalt zu berücksichtigen sei. Der Pflichtige habe zumindest in Form von Fahrten mit seiner Tochter eine anteilige Privatnutzung eingeräumt und spare deine eigene Aufwendungen. Im übrigen habe er das Verhältnis zwischen privater und beruflicher Nutzung nicht dargelegt. Komme der Arbeitgeber für sämtliche Unterhaltungskosten des Fahrzeugs auf, könnten dann auch keine berufsbedingten Aufwendungen in Abzug gebracht werden und zwar wieder konkret noch pauschal.
OLG Hamm, 10.12.2013, II-2 UF 216/12 = Beck RS 2014,01439

Im Umkehrschluss lässt sich aus dieser Entscheidung ableiten, dass möglicherweise zusätzliche berufsbedingte Aufwendungen abgezogen werden können, wenn man hierzu nur schlüssig und ausführlich vorträgt. Zahlt insbesondere der Arbeitnehmer sein Benzin selbst und Schlüssel der die Quote zwischen privaten und beruflichen Fahrten aus, wird jedenfalls ein Abzug für berufsbedingte Aufwendungen infrage kommen.

Montag, 12. Mai 2014

OLG Stuttgart: Vermögensbildung kann bei Unterhalt berücksichtigt werden

Die Ehegatten streiten um Trennungsunterhalt. Streitig und insbesondere um die Frage, ob der Unterhaltspflichtige, obwohl er nach der Trennung Unterhalt zahlen muss, weiter Vermögen bilden darf und ob der hierfür angemessene Betrag bei der Berechnung des Unterhalts mit berücksichtigt werden kann.
Das OLG Stuttgart hält fest: Nach § 1361 Abs. 1 Satz 1 BGB kann der Unterhaltsberechtigte den nach den ehelichen Lebensverhältnissen angemessenen Unterhalt verlangen. Dabei bestimmen sich die Lebensverhältnisse nach den für die während des Zusammenlebens für die allgemeine Lebensführung verfügbaren Einkünfte. Bleiben Einkommensteile der Vermögensbildung vorbehalten, dienen Sie nicht der Befriedigung der laufenden Lebensverhältnisse. Sie sind damit grundsätzlich der Unterhaltsbemessung entzogen. Damit kann grundsätzlich die schon in der Ehe betriebene Vermögensbildung auch nach dem Getrenntleben fortgesetzt werden. Die hierfür aufgewendeten Beträge sind bei der Unterhaltsberechnung zu berücksichtigen.
Das OLG weist jedoch auch darauf hin, dass sowohl bei der Bemessung des Trennungsunterhalts als auch des nachehelichen Unterhalts ein objektiver Maßstab anzulegen ist. Es ist derjenige Lebensstandard entscheidend, der nach dem vorhandenen Einkommen vom Standpunkt eines vernünftigen Betrachters angemessen erscheint. Hat man in der Ehe übertrieben gespart, um möglichst viel Vermögen zu bilden (dürftige Lebensführung), bleibt das ebenso außer Betracht wie eine während der Ehe geführten verschwenderische Lebensweise, die nun Platz machen muss für eine vernünftige Sparpolitik.
Grundsätzlich soll der Unterhalt nur der Bedarfsdeckung dienen und nicht zu einer Vermögensteilhabe des Unterhaltsberechtigten führen.

OLG Stuttgart, 20.06. 2013,16 UF 285/12 = Beck RS 2013,22503

Freitag, 9. Mai 2014

BGH zum Ehegattenunterhalt: Auch ein betriebsbedingter Verlust des Arbeitsplatzes kann einen ehebedingten Nachteil auslösen.

Der Ehegatte, der ehebedingt nicht oder weniger gearbeitet hat und deshalb jetzt nicht mehr das berufliche Level erreichen kann, dass er ohne Ehe hätte, hat einen ehebedingten Nachteil, der ihn in aller Regel zum Bezug von nachehelichen Ehegattenunterhalt berechtigt.
Der BGH sieht jedoch genau hin. Er unterscheidet, worauf das niedrigere Job-Level zurückzuführen ist. Ist der Ehegatte nur deshalb arbeitslos, weil er betriebsbedingt gekündigt wurde, dann hat das mit der Ehe normalerweise nichts zu tun. Er ist dann nur dem normalen Risiko ausgesetzt, das auf dem Arbeitsmarkt besteht. Seine schlechtere Beschäftigungsituation stellt dann keinen ehebedingten Nachteil dar.
Deshalb galt bislang die etwas pauschale Regel, dass betriebsbedingte Kündigungen eines Arbeitsverhältnisses generell keinen ehebedingten Nachteil auslösen. Das hat der BGH jetzt richtig gestellt. Mit Beschluss vom 26.03.2014, Az. XII ZB 214/13 hat er festgestellt, dass sich auch bei einem betriebsbedingten und damit nicht ehebedingten Verlust des Arbeitsplatzes ein ehebedingter Nachteil ergeben kann und zwar daraus, dass sich der unterhaltsberechtigte Ehegatte mit Rücksicht auf die Ehe und die übernommene oder fortgeführte Rollenverteilung zunächst nur in einem eingeschränkten Radius und später gar nicht mehr um eine Stelle beworben hat, die seiner beruflichen Qualifikation und seinen Fähigkeiten entspricht.

In der gleichen Entscheidung weist er jedoch noch einmal auf die Beweislastverteilung und insbesondere die sekundäre Darlegungslast des Unterhaltsberechtigten hin. Der Unterhaltsberechtigte hat im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast die Behauptung, es seien keine ehebedingten Nachteile entstanden, substantiiert zu bestreiten und seinerseits darzulegen, welche konkreten ehebedingten Nachteile entstanden sind. Erst wenn das Vorbringen des Unterhaltsberechtigten diesen Anforderungen genügt, müssen die vorgetragenen ehebedingten Nachteile dann vom Unterhaltspflichtigen widerlegt werden.

Donnerstag, 8. Mai 2014

Telefonat unter Anwälten - BGH: Nur Vergleichsgespräche lösen die Gebühr des VV 3104 aus!

Gespräche über Verfahrensabsprachen, mit deren Befolgung eine Beendigung des Verfahrens nicht verbunden ist, wie etwa Gespräche über eine bloße Zustimmung zum Ruhen des Verfahrens, lösen eine Terminsgebühr gemäß Vorbemerkung 3 Abs. 3 Halbsatz 1 Fall 3 VV RVG nicht aus. Das hat der BGH jetzt entschieden (Entscheidung vom 6.3.2014, VII ZB 40/13). 

Die beteiligten Rechtsanwälte hatten sich im Telefonat auf ein Ruhen des Verfahrens verständigt, nicht aber auf dessen Beendigung. Das Telefonat war auch in keiner Weise auf die Beendigung ausgerichtet. Unter diesesn Bedingungen spricht der BGH die Terminsgebühr der VV-RVG 3104 nicht zu. Denn in der oben zitierten Vorbemerkung heißt es ausdrücklich: "Die Gebühr für außergerichtliche Besprechungen entsteht für ... die Mitwirkung an Besprechungen, die auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichtet sind..." Im Klartext: Der Anwalt wird nur dort mit dem Anfall der Terminsgebühr belohnt, wo er sich Mühe gibt, dem Richter Arbeit zu ersparen. Also: Wenn man sich auf das Ruhen des Verfahrens einigt oder sonst irgendetwas besprechen will, sollte man - und sei es auch nur kurz - immer die Möglichkeit eines Vergleichs ausloten und sich vor Beginn des Telefonats einen entsprechenden Vorschlag zurecht gelegt haben...
 
 

Mittwoch, 7. Mai 2014

Streit ums Kindergeld - BGH: Streitwert nur 300,00 €

Die Eltern streiten darum, wer das Kindergeld von der Kindergeldkasse beziehen darf. Derzeit bekommt es die Mutter. Den Antrag des Vaters, dies zu ändern, weist das Amtsgericht zurück und setzt den Streitwert auf 300,00 € fest. Der Vater wendet ein, der Streitwert sei erheblich höher. Schließlich habe die Tatsache, wer das Kindergeld bezieht, erheblichen Einfluss auf die Bemessung des Kindesunterhalts. Ferner habe er beantragt, die Bezugsberechtigung rückwirkend ab dem Jahr 2003 zu ändern.

Der BGH (Entscheidung vom 29.01. 2014, XII ZR 555/12) gibt dem Amtsgericht recht. Bei der Bestimmung des Bezugsberechtigten gehe es vorwiegend um die Modalitäten der Auszahlung des Kindergelds, nicht aber um die Frage, wem dieses zusteht. Damit könne nicht auf den Auszahlungsbetrag an sich abgestellt werden. Vielmehr sei der Mindestbeschwer-Wert des § 61 Abs. 1 FamFG zugrundezulegen.

Das Ganze habe auch nichts mit der Streitfrage hinsichtlich der Bemessung des Unterhalts zu tun. Dieser Streit sei im Unterhaltsprozess zu klären. Für die Prüfung, in wessen Obhut sich das Kind befinde, sei die Familienkasse zuständig. Die Frage, ob die Kasse richtig entschieden habe, sei wiederum Gegenstand eines finanzgerichtlichen Verfahrens und ebenfalls vom Amtsgericht hier nicht zu prüfen.

Dienstag, 6. Mai 2014

OLG Hamm: Wer seinen Ex unberechtigt verdächtigt, die gemeinsame Tochter missbraucht zu haben, verwirkt seinen Unterhaltsanspruch

Die Ehefrau behauptete nach der Trennung im Rahmen familiengerichtlicher Auseinandersetzungen, der Ehemann habe die gemeinsame Tochter sexuell missbraucht. Das Gericht erholte ein Gutachten und kam zu dem Ergebnis, dass es für einen Missbrauch keine Anhaltspunkte gebe. Trotzdem stellte die Mutter die Behauptung weiter auf, und zwar gegenüber der Vermieterin des Ehemanns (" Kinderschänder"); auch gegenüber der neuen Lebensgefährtin des Ehemanns äußerte sie, ihr Mann habe pädophile Neigungen. Zudem machte sie auch dem Jugendamt gegenüber entsprechende Äußerungen.

Unter Bezugnahme auf diese ungerechtfertigten Vorwürfe wollte der Ehemann keinen nachehelichen Unterhalt mehr zahlen, § 1579 Nr. 7 BGB, und das Familiengericht und nun auch des OLG Hamm (Entscheidung vom 3.12.2013, Aktenzeichen 2 UF 105/13 = Beck RS 2014, 01438) gaben ihm Recht. Das OLG sah den Nachscheidungsunterhalt als verwirkt an. Der Vorwurf des sexuellen Missbrauchs sei über Jahre hinweg zu Unrecht erhoben und auch nach Vorlage des Sachverständigengutachtens weiter aufrecht erhalten worden. Insbesondere die Äußerungen gegenüber unbeteiligten Dritten stellten ein schwerwiegendes, eindeutig bei der Ehefrau liegendes Fehlverhalten dar, das objektiv geeignet gewesen sei, den Ehemann in der Öffentlichkeit nachhaltig verächtlich zu machen und seine familiäre, soziale und wirtschaftliche Existenz zu zerstören. Die Vorwürfe seien objektiv so schwerwiegend, dass es nicht darauf ankomme, ob sie von der Ehefrau im Zustand der Schuldunfähigkeit erhoben worden seien. Die Beeinträchtigungen seien so schwer und so nachhaltig, dass es die nacheheliche Solidarität nicht mehr gebiete, Unterhalt zu gewähren, auch wenn der Ehegatte schuldlos gehandelt habe.

Montag, 5. Mai 2014

Sorgerecht für den nichtehelichen Vater - So geht's jedenfalls nicht!

Viele nichteheliche Väter wollen die gemeinsame elterliche Sorge - und die meisten treffen dafür auch die richtigen Maßnahmen. Zumindest lassen sie sich wenigstens beraten, was sie tun müssen, um ihre Chancen für die Erlangung des Sorgerechts zu optimieren.

Wie man es falsch anfängt und was man alles nicht machen sollte, das hält das Amtsgericht Gießen in seinem Beschluss vom 1.12.2013, Aktenzeichen 243 F1052/13 fest. Wichtige Auszüge aus diesem sehr lehrreichen Beschluss finden Sie auf dem Beck-Blog im Posting von Hans-Otto-Burschel v. 15.04.2014.

Lesenswert!

Freitag, 2. Mai 2014

OLG Zweibrücken: Auch bei Zwischenvergleichen entsteht eine Einigungsgebühr.

Familiensachen, speziell Umgangsverfahren ziehen sich manchmal länger hin. Bevor man zu einer endgültigen Regelung kommt, müssen gelegentlich Gutachten erholt werden, die dann die Basis für eine solche Regelung bieten, und das dauert.

Im Hinblick auf die Interessen der Kinder es ist aber zwingend notwendig, den Umgang auch für die Zeit bis zur endgültigen Lösung schon in irgendeiner Form verbindlich zu regeln. Deshalb kommt es, damit der Umgang überhaupt aufrechterhalten werden kann, häufig zu Zwischenvergleichen. Das OLG Zweibrücken (Beschluss vom 6.3.2014 - 6 WF 16/14 = BeckRS 2014, 07129) hat nun festgehalten, dass auch durch eine Zwischeneinigung über das Umgangsrecht eine Einigungsgebühr ausgelöst wird und das auch dann, wenn von vornherein feststeht, dass mit dieser Zwischeneinigung keine Dauerlösung erzielt wird.
Teile der Rechtsprechung hatten sich gegen den Anfall einer Einigungsgebühr in diesem Fall mit dem Argument gewehrt, es könnten dann ja in derselben Angelegenheit mehrere Einigungsgebühren anfallen. Das räumt das OLG Zweibrücken auch ein, gibt aber zu bedenken, dass dieser Tatsache durch eine angemessene Festsetzung des Verfahrenswerts für die Teilvereinbarung Rechnung getragen werden könne.

Mittwoch, 30. April 2014

OLG Düsseldorf: Für die Kosten einer Privat-Uni müssen in der Regel nur gut verdienende Eltern aufkommen.

Das OLG hatte einen Fall zu entscheiden, indem das Kind eine Privat-Universität besuchte. Die dadurch anfallenden Kosten waren fast doppelt so hoch wie der gewöhnliche Studienunterhalt. Das OLG Düsseldorf ( II-3 WF 149/13 = FamRZ 2014, 564) entschied, dass eine solche Belastung Eltern mit einem Nettogehalt von je monatlich Euro 3000,00 nicht zumutbar sei.
Der regelmäßige Studentenbedarf zuzüglich Krankenversicherung belaufe sich im konkreten Fall auf monatlich Euro 751,71. Abzüglich des Kindergeldes von Euro 184,00 verbleibe ein ungedeckter bedarf von Euro 567,71.
Das monatliche Einkommen der Studentin von Euro 445,00 sei nicht anzurechnen. Nebenarbeit neben dem Studium sei ohnehin teilweise überobligationsmäßig. Ferner habe die Studentin höhere Wohnkosten von Euro 466,00, die sie mit Ihrem Minijob und dem Einkommen daraus von Euro 425,00 monatlich decke. Daraus ergebe sich aber auch umgekehrt, dass sie sich auch keinen erhöhten Wohnbedarf zu rechnen könne. Beide Eltern hätten zusammen gut Euro 6000 monatlich netto bereinigt. Trotzdem sei den Eltern die Übernahme erhöhter Studienkosten nicht zuzumuten. Die Studenien habe nicht hinreichend dargelegt, ob sie den Schwerpunkt von Tourismus und Eventmanagement nicht auch an einer staatlichen Uni verwirklichen könne, bei deren Besuch nur die Hälfte der Studienkosten anfallen würden.

Dienstag, 29. April 2014

OLG Hamm: Die gemeinsame elterliche Sorge kann nicht aufgelöst werden, um damit persönliche Probleme zwischen den Eltern zu lösen.

Die Eltern sind geschieden und haben die gemeinsame Sorge. Die Mutter beantragt die allein Sorge mit der Begründung, sie habe schon seit längerem Probleme mit dem Vater, die sich in letzter Zeit massiv verstärkt hätten. Der Amtsrichter stellte fest, bei den Eltern sei keine Kooperationsfähigkeit mehr vorhanden. Es existiere zwischen ihnen ein enormes Konfliktpotenzial. In der Auseinandersetzung miteinander werde häufig keine sachliche Ebene für eine Kommunikation mehr gefunden.

Das OLG Hamm ( II-2 UF 39/13 = FamRZ 2014, 573) stellte sich auf den Standpunkt, die Auflösung der gemeinsamen elterlichen Sorge können nicht mit dem Argument gerechtfertigt werden, Konfliktpotenzial aus der Elternbeziehung zu nehmen und die Position der Kindesmutter durch Übertragung der Alleinsorge zu stärken. Dies ergebe sich aus der Tragweite des mit  Art. 6 GG geschützten Elternrechts. Maßstab und Ziel eine Auflösung der gemeinsamen elterlichen Sorge sei nicht der Ausgleich persönlicher Defizite zwischen den Eltern sondern allein das Kindeswohl.

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Montag, 28. April 2014

BGH zum "Rentendelta" als ehebedingtem Nachteil

"Ein ehebedingter Nachteil, der darin besteht, dass der unterhaltsberechtigteEhegatte nachehelich geringere Versorgungsanrechte erwirbt als er bei hinweggedachter Ehe erwürbe, wird ausgeglichen, wenn er Altersvorsorgeunterhalt erlangen kann."
 
Die durch die Ehe eingetretenen Verluste eines Ehepartners bei seiner Altersrente hat der BGH noch nie als ehebedingten Nachteil gemäß § 1578 b BGB durchgehen lassen. Seine Rechtsprechung ist insoweit eindeutig und durchgängig: Natürlich könne es sein, dass bedingt durch die Eheschließung die Erwerbsbiografie eines Ehegatten einen Knick erleide und er infolge dieses Knicks weniger Rentenansprüche erwerbe als dies ohne Ehe der Fall gewesen wäre. Einen ehebedingten Nachteil stelle dies gleichwohl nicht dar, da dieses Manko durch den Versorgungsausgleich ausgeglichen werde. (grundlegend Senatsurteil vom 16. April 2008 - II ZR 107/06 - FamRZ 2008, 1325 Rn. 43; vgl. auch Senatsbeschluss vom 19. Juni 2013 - XII ZB 309/11 - FamRZ 2013, 1291 Rn.22).

Das betrifft aber nur die Rentenansprüche, die dem minder verdienenden Ehegatten während des Laufs der Ehe entgangen sind. Aufgrund des Karriereknicks kann es aber durchaus sein, dass dieser Ehegatte auch nach der Ehe noch weniger Rentenansprüche ansammeln kann, als er dies ohne Ehe hätte tun können. In den meisten Fällen wird dies so sein, da es nur den wenigsten Ehegatten gelingt, erwerbstechnisch direkt nach der Scheidung auf den gleichen Stand zu kommen, den man ohne Ehe hätte. Dieser Nachteil auf dem Rentenkonto wird durch den Versorgungsausgleich nicht mehr ausgeglichen, da er erst nach dem für den Versorgungsausgleich geltenden Stichtag eintritt. Und damit liegt der Gedanke nahe, hier von ein ehebedingten Nachteil auszugehen.
Auch hier zieht der BGH (XII ZB 235/12 v. 26.2.2014) jedoch eine Grenze: Ein ehebedingter Nachteil liege auch in diesem Fall nicht vor, wenn der Ehegatte zu seinem Ausgleich Altersvorsorgeunterhalt beanspruchen und erlangen könne. Denn der Vorsorgeunterhalt ziele bereits darauf ab, die sich rollenbedingt nach der Ehezeit fortgesetzt vorhandenen Nachteile auszugleichen. Werde also Altersvorsorgeunterhalt zugesprochen, könne der dadurch ausgeglichene ehebedingten Nachteil nicht zusätzlich bei der Frage berücksichtigt werden, ob Ehegattenunterhalt nach § 1578 b Abs. 1 S.2 gekürzt werden kann. (Rz. 18 des Urteils).

Freitag, 25. April 2014

BGH: Wer einem Minderjährigen Unterhalt zahlen muss, hat strenge Anforderungen bezüglich seiner Erwerbpflicht zu erfüllen.

Der Vater ist türkischer Staatsangehöriger kurdischer Herkunft. Er ist im Jahr 2001 nach Deutschland gekommen, verfügt über einen Realschulabschluss, aber nicht über eine abgeschlossene Berufsausbildung. Er arbeitete jeweils vorübergehend mit geringfügiger Beschäftigung als Aushilfe in einer Bäckerei und als Verkaufs- und Küchenhilfe, nach einer Fortbildung in einem Fortbildungszentrum der HoGa (Hotel und Gastronomie) auch als Aushilfe in einem Café sowie in einem Kebab-Haus und strebte später eine Umschulung an.
Er weigert sich mangels Leistungsfähigkeit, für sein minderjähriges Kind Unterhalt zu zahlen. Der BGH hält im Hinblick auf die verschärfte Erwerbsverpflichtung des Vaters nochmals fest:

"Für die Feststellung, dass für einen Unterhaltsschuldner keine reale Beschäftigungschance bestehe, sind – insbesondere im Bereich der gesteigerten Unterhaltspflicht nach § 1603 Absatz II BGB – strenge Maßstäbe anzulegen. Für gesunde Arbeitnehmer im mittleren Erwerbsalter wird auch in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit regelmäßig kein Erfahrungssatz dahin gebildet werden können, dass sie nicht in eine vollschichtige Tätigkeit zu vermitteln seien (vgl. Wendl/Dose, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 8. Aufl., § 1 Rn. 784; Botur in Büte/Poppen/Menne, Unterhaltsrecht, 2. Aufl., § 1603 BGB Rn. 12 mwN). Dies gilt auch für ungelernte Kräfte oder für Ausländer mit eingeschränkten deutschen Sprachkenntnissen (OLG Hamm, FamRZ 2002,  Seite 1427  = BeckRS 2014,  04119 mwN; Botur in Büte/Poppen/Menne, § 1603 BGB Rn. 12). Auch die bisherige Tätigkeit des Unterhaltsschuldners etwa im Rahmen von Zeitarbeitsverhältnissen ist noch kein hinreichendes Indiz dafür, dass es ihm nicht gelingen kann, eine besser bezahlte Stelle zu finden. Das gilt auch dann, wenn der Unterhaltspflichtige überwiegend im Rahmen von geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen iSv §  8 Absatz I SGB IV gearbeitet hat. Zu den insbesondere im Rahmen von  § 1603  II BGB zu stellenden Anforderungen gehört es schließlich auch, dass der Unterhaltspflichtige sich um eine Verbesserung seiner deutschen Sprachkenntnisse bemüht (Wendl/Dose, § 1 Rn.  784 mwN).."

© Foto lia.la  / pixelio.de

Donnerstag, 24. April 2014

OLG Koblenz - Ein Verfahrenskostenvorschuss nach § 1360 a IV BGB muss ggf. auch aus dem Vermögen geleistet werden.

Das Amtsgericht hatte von der grundsätzlich vorschusspflichtigen Antragsgegnerin die Leistung eines Verfahrenskostenvorschusses aus ihrem Vermögen verlangt, und zwar unter Einsatz des Vermögensstamms. Das sei - so das OLG Koblenz ( Beschluss vom 14.03.2014 - 13 WF 237/14
 zwar nicht einschränkungslos zulässig, allerdings auch nicht als systemwidrig generell ausgeschlossen.
Zwar sei der Anspruch auf Verfahrenskostenvorschuss unterhaltsrechtlicher Natur (vgl. BGH FamRZ 2004, 1633 und FamRZ 2009,  1483), gerichtet auf die Deckung eines Sonderbedarfs (BGH FamRZ 2010, 452 Randnummer 19). Daher könne bei einer solchen Konstellation insbesondere nicht ohne Weiteres auf 115 Abs. 3 ZPO und die hierzu maßgeblichen Regelungen abgestellt werden (vgl. Senatsbeschluss vom 12.08.2013 - 13 WF 717/13).

Das OLG führt im Detail aus:

"Unter welchen Voraussetzungen die Verpflichtung zum Einsatz des Vermögensstamms im Wege eines Verfahrenskostenvorschusses daher der Billigkeit i. S. der §§ BGB § 1361 Abs. BGB § 1361 Absatz 4 Satz 4, 1360a Abs. BGB § 1361 Absatz 4 Satz 1 BGB entspricht, wird nicht einheitlich beantwortet.
Nach einer Ansicht hat der Vorschusspflichtige schon deshalb auch den Stamm seines Vermögens für die Finanzierung des Rechtsstreits bzw. des Verfahrens einzusetzen, da auch bei intakter Ehe derartige Kosten vielfach nicht aus dem laufenden Einkommen bestritten, sondern den Ersparnissen entnommen werden. Lediglich eine Rücklage für Not- und Krankheitsfälle braucht nicht verwertet zu werden (vgl. Wendl/Dose/Scholz Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 8. Auflage 2011 § 6 Rn. 29).
Nach einer etwas restriktiveren Meinung muss der andere Ehegatte die zur Führung des Rechtsstreits erforderlichen Mittel aus dem Stamm seines Vermögens im Wege eines Verfahrenskostenvorschusses nur dann aufbringen, wenn sein Vermögen dadurch nicht nennenswert beeinträchtigt wird (vgl. OLG Köln MDR 1995, MDR Jahr 1995 Seite 791; OLG Zweibrücken FamRZ 1999, FAMRZ Jahr 1999 Seite 1194 und OLG Karlsruhe FamRZ 2011, FAMRZ Jahr 2011 Seite 1235).
Vorliegend kann offen bleiben, welcher der vorgenannten Ansichten der Vorzug zu geben ist. Denn das Familiengericht hat in dem angefochtenen Beschluss aufgezeigt, dass der Antragsteller das Immobilienvermögen seiner Ehefrau in anderen Verfahren mit ca. 1 Mio. Euro beziffert. Auch wenn diese Angabe in der Beschwerdebegründung dahin relativiert wird, dass man nicht wisse, welchen Wert das Immobilienvermögen hat, gibt der Antragstellers zugleich an, dass dieses nur noch zum Teil belastet ist. Danach entspricht die Leistung eines Verfahrenskostenvorschusses aus dem Vermögensstamm hier auf jeden Fall der Billigkeit."

Mittwoch, 23. April 2014

OLG Oldenburg: Auch der nicht durchgeführte Versorgungsausgleich hat einen Gegenstandswert - und nicht immer nur den Mindestwert!

Es ist nach wie vor ein beliebtes Argument bei den Richtern: Wenn der Versorgungsausgleich nicht stattfindet, dann spielt er beim Gegenstandswert auch keine Rolle.
Dass dem nicht so ist, haben bereits einige Obergerichte entschieden. Kurz zusammengefasst: Auch der Versorgungsausgleich, der nicht stattfindet, ist Gegenstand des Rechtsstreits, und der Richter muss sich mit ihm befassen, z.B. beurteilen, ob eine Vereinbarung der Parteien zum Ausschluss des Versorgungsausgleichs wirksam ist. Selbst wenn er wegen der kurzen Ehezeit nicht stattfindet, muss der Richter feststellen, DASS er nicht stattfindet, und damit ist er Gegenstand der Endentscheidung und hat einen Gegenstandswert, wenn auch häufig nur den Mindestwert nach § 50 I FamGKG.   Häufig reduzieren die Gerichte den Wert nach § 50 III FamGKG auf diesen Mindestbetrag von € 1000,00.

Dass auch das so nicht immer geht, hat nun das OLG Oldenburg klargestellt. Der Erstrichter hatte sämtliche Daten zum Versorgungsausgleich erholt und an die Parteien weitergeleitet und sodann Verhandlungstermin anberaumt und sich somit auch Gedanken um den Versorgungsausgleich gemacht - jedenfalls ging das OLG davon aus; wie hätte er auch sonst Termin anberaumen können, wenn er den Versorgungsausgleich nicht geprüft hätte?? ;-)

Hat er aber geprüft, und findet der VA nur deshalb nicht statt, weil die Parteien ihn abbedingen, fällt bei dieser Konstellation der volle Gegenstandswert an und nicht etwa nur 1.000,00 €. Für die Anwendung von § 50 III FamGKG ist dann kein Raum mehr.

OLG Oldenburg, Beschluss vom 17.03.2014 - 14 WF 46/14 = BeckRS 2014, 06744 m.w.N. zum Thema Gegenstandswert bei nicht stattfindendem VA.

Dienstag, 22. April 2014

OLG Stuttgart: Vereinfachtes Unterhaltsverfahren ist nicht immer zulässig,

"Das vereinfachte Unterhaltsverfahren ist unzulässig, wenn das Kind weder vom gegnerischen Elternteil noch vom antragstellenden Elternteil tatsächlich (überwiegend) betreut wird und daher beide Elternteile gegenüber dem Kind barunterhaltspflichtig sind", hat das OLG Stuttgart  (Beschluss vom 25.03.2014 - 11 WF 50/14 = BeckRS 2014, 06741) festgestellt. 

Das Verfahren sei nur zulässig in den Fällen, in denen die Eltern getrennt leben, einer Naturalunterhalt durch Betreuung leistet und der andere zum Barunterhalt verpflichtet ist.
Dem vom OLG zu entscheidenden Fall lag jedoch ein Sachverhalt  zugrunde, in dem der Vater von der Mutter Zahlung von Kindesunterhalt begehrte, das Kind jedoch von der Oma betreut wurde. Damit waren beide Eltern barunterhaltspflichtig und damit lagen die Voraussetzungen des vereinfachten Verfahrens nicht vor.

Ähnlich hatte auch das KG (FuR 2006, FUR Jahr 2006 Seite 132) entschieden: Das vereinfachte Unterhaltsfestsetzungsverfahren sei auch dann unzulässig, wenn die Eltern innerhalb einer Wohnung getrennt leben. Dies beruht darauf, dass das vereinfachte Verfahren in diesen Fällen verfahrensspezifisch eine Abgrenzung zwischen Barunterhalt und in Betracht kommenden Naturalunterhaltsleistungen nicht ermöglicht und das vereinfachte Verfahren nicht mit schwierigen Rechts- und Tatsachenfragen für die Unterhaltsfestsetzung belastet werden soll (Wendl/Dose, 8. Aufl., § 10 Rn.637).

Aus ähnlichen Gründen hat auch das OLG Celle (FamRZ 2003, S,  1475f) auch für diejenigen Fälle das vereinfachte Unterhaltsverfahren für unzulässig erachtet, in denen die Eltern des Kindes ein Wechselmodell praktizieren.

Donnerstag, 17. April 2014

OLG Nürnberg: auch bei nichtehelichen Eltern ist die gemeinsame elterliche Sorge der Regelfall

Seit einem Jahr gibt es den neuen § 1626 a BGB, der - wie zuvor schon die wegweisende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts - dem nichtehelichen Vater die Möglichkeit zur Erlangung der gemeinsamen elterlichen Sorge über das gemeinsame Kind ermöglicht. Abs. 2 dieser Vorschrift sieht vor, dass das Gericht auf Antrag die gemeinsame Sorge installiert, wenn sie dem Wohle des Kindes nicht widerspricht.

Das OLG Nürnberg ( 7 UF 1195/13 = FamRZ 2014, 571) leitet aus dieser gesetzlichen Regelung ein Regel-Ausnahme-Verhältnis zu Gunsten der gemeinsamen elterlichen Sorge ab. Daraus ergibt sich, dass der Antrag des bisher nicht sorgeberechtigten Vaters, ihm das mit Sorgerecht zu übertragen, nur abgewiesen werden kann, wenn mit erheblicher Gewissheit festgestellt werden kann, dass die gemeinsame Sorge dem Kindeswohl widersprechen würde.
Dabei hält das OLG ausdrücklich fest, dass die Übertragung der gemeinsamen elterlichen Sorge auch in streitigen Bereichen nicht an einer problematisch verlaufenden Kommunikation zwischen den Eltern scheitere. Es sei zwar ein gewisses Mindestmaß an tragfähiger sozialer Beziehung zwischen den Eltern notwendig. Bei der Beurteilung, ob diese Basis gegeben sei, komme es aber nicht auf verbale, wertende Äußerungen der Beteiligten in Verfahren an sondern auf die tatsächlichen Verhältnisse, insbesondere darauf, ob die Eltern bisher in der Lage waren, zu Gunsten des Wohls ihres Kindes Kompromisse einzugehen.
Wenn die Eltern zu einzelnen Erziehungsfragen und zu sonstigen Angelegenheiten ihres Kindes unterschiedliche Auffassungen vertreten, sei dies Alltag, der auch innerhalb intakter Familien vorkomme. Die gemeinsame elterliche Sorge setze nicht voraus, dass die Eltern stets einheitlicher Auffassung sein müssten. Die gemeinsame elterliche Sorge sei gerade ein Instrument, mit dem zu Gunsten des Kindeswohls dafür gesorgt werde, dass nicht ein Elternteil ungewöhnliche Erziehungsvorstellungen durchsetzen könne. Durch die gemeinsame Sorge werden die Eltern gezwungen, Kompromisslösungen zu finden, und der Gesetzgeber gehe davon aus, dass solche Lösungen im Regelfall den Interessen der Kinder am besten gerecht werden.

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Mittwoch, 16. April 2014

OLG Düsseldorf befasst sich mit der praktischen Ausgestaltung des Wechselmodells - Verteilung des Kindergelds zwischen den Eltern - Karenzzeit nach Scheitern des Wechselmodells

Ist zwischen den Eltern einmal ein Wechselmodell vereinbart, tauchen neue, bislang nicht bekannte Probleme auf. Mit zweien davon hat sich das OLG Düsseldorf (II-7 UF 45/13  v. 20.06.2013 = FamRZ 2014, 567) befasst:

Besteht zwischen den Eltern ein echtes Wechselmodell, ist der das Kindergeld beziehende Elternteil verpflichtet, das hälftige Kindergeld an den anderen Elternteil auszugleichen. Eine Anrechnung auf den nach dem Einkommen beider Elternteile ermittelten Bedarf des Kindes findet nicht statt, so das OLG.
Hierzu gibt es aber auch andere Ansichten: Wendl/Dose/Klinkhammer z.B. vetreten die Auffassung, dass der aus dem zusammengerechneten Einkommen der Eltern ermittelte Bedarf zunächst um das gesamte Kindergeld zu kürzen, anschließend der verbleibende Bedarf anteilig auf die Eltern zu verteilen, sondern das hälftige Kindergeld dem Anteil des Kindergeldbezirkes hinzuzurechnen und zuletzt die Differenz zwischen den Elternanteilen hälftig einem Elternteil auszugleichen ist.

Scheitert das Wechselmodell und wird anschließend das Kind ausschließlich von einem Elternteil betreut, muss dem anderen, nun bar-unterhaltspflichtigen Elternteil eine längere Übergangszeit gewährt werden, innerhalb der er seine bisherige teilweise Erwerbstätigkeit ausweitet. Einerseits braucht er ausreichenden zeitlichen Spielraum, um die notwendigen Schritte mit seinem derzeitigen Arbeitgeber abzustimmen. Ist überdies das Wechselmodell längere Zeit gelaufen, kann es auch mehrere Monate nach Aufgabe des Wechselmodelsl noch zu einem Sinneswandel des Kindes oder der Kinder kommen mit der Folge, dass diese dann wieder die gemeinschaftliche Betreuung wünschen. Hat dann der aus der Betreuung ausgeschiedene Elternteil bereits einenFulltime-Job angenommen, lässt sich dies kaum mehr rückgängig machen und lassen sich dann die diesbezüglichen Wünsche des Kindes oder der Kinder  nicht mehr erfüllen. Auch insoweit besteht Bedarf für eine großzügige Karenzzeit, die das OLG Düsseldorf im konkreten Fall mit 9 Monaten bemessen hat.

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Dienstag, 15. April 2014

OLG Hamm: Unterhaltsberechtigte Studenten müssen BaFöG in Anspruch nehmen, wenn die Voraussetzungen dafür gegeben sind.

Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH und der Obergerichte muss der unterhaltsberechtigte Student, um den Unterhaltspflichtigen so weit als möglich zu entlasten, BaFöG-Leistungen in Anspruch nehmen, notfalls auch ein BaFöG-Darlehen nach § 17 Abs. 2 BaFöG.

Darum ist es Sache des im Studium befindlichen volljährigen Kindes, das keine BaFöG-Leistung beantragt hat, darzutun und zu belegen, dass ihm bei rechtzeitiger Antragstellung keine Ausbildungsförderung gewährt worden wäre. Solange ein Antrag des Kindes auf BaFöG-Leistungen nicht von vornherein aussichtslos ist, ist eine Antragstellung jedenfalls zumutbar. In gleicher Weise ist es zumutbar, ein BaFöG-Darlehen zu beantragen. Allein das Argument, man habe sich nicht gleich zu Beginn des Berufslebens verschulden wollen, zählt unterhaltsrechtlich nicht. Wer nur aus diesem Grund kein BaFöG beantragt, verhält sich unterhaltsbezogen leichtfertig.

Der unterhaltspflichtige Vater hatte seiner Tochter, die mit der obigen Argumentation kein BaFöG beantragt hatte, die Zahlung von Unterhalt verweigert. Das Amtsgericht und das OLG Hamm (II-2 WF 161/13 = FamRZ 2014, 565) gewährte ihr für das Unterhaltsverfahren keine Verfahrenskostenhilfe. Da ein BaFöG-Darlehen zu sehr günstigen Bedingungen gewährt werde, sei dessen Inanspruchnahme jedem Studierenden in der Regel zumutbar. Nur wenn besondere Umstände vorliegen, kann auf die Beantragung eines solchen Darlehens verzichtet werden. Solche Umstände liegen nicht schon deshalb vor, weil man in sein Berufsleben nicht mit Schulden hineingehen will.

Habe die Antragstellerin kein BaFöG-Darlehen beantragt, sei ihr in Höhe der BaFöG-Leistungen ein fiktives Einkommen zu unterstellen (Bezugnahme auf OLG Karlsruhe, NJW-RR 2010, S. 8). Im vorliegenden Falle führte das dazu, dass die Studenten, das fiktive Einkommen mit einkalkuliert, ihren Bedarf allein decken konnte und ihr Begehr auf Ausbildungsunterhalt deshalb keinen Erfolg hatte.

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Montag, 14. April 2014

BGH: Auch bei einer Alleinverdienerehe ist der Ausschluss des Versorgungsausgleichs durch Ehevertrag grundsätzlich möglich.

Die Eheleute hatten einen gemeinsamen, 1989 geborenen Sohn und heirateten 1991. Im Januar 2007 schlossen sie einen notariellen Ehevertrag, in dessen Präambel Sie feststellten: "Die Parteien leben derzeit nicht getrennt, doch befindet sich ihre Ehe in einer tiefen Krise, da (die Ehefrau) ohne rechtfertigende oder entschuldigen der Veranlassung mutwillig aus der intakten Ehe ausgebrochen ist und intime Beziehungen zu einem anderen Mann aufgenommen hat."

Darauf basierend trafen sie umfangreiche und weitgehende Vereinbarungen über eventuelle Scheidungsfolgen. Ein gemeinsames Wertpapierdepot im Wert von Euro 260.000,00 teilten sie hälftig auf. Eine von zwei Eigentumswohnungen bekam die Ehefrau schuldenfrei zum Alleineigentum.
Ferner stellten Sie fest, im Falle der Trennung beabsichtige keiner der Parteien, Getrenntlebensunterhaltsansprüche geltend zu machen, die Ehefrau schon wegen ihres "ehebrecherischen Verhaltens" nicht. Jedoch verpflichtet sich der Ehemann "ohne Anerkennung einer Rechtspflicht" ab Trennung für 12 Monate 1500 Euro Unterhalt zu zahlen und dies, obwohl nach übereinstimmender Feststellung jeder der Parteien aufgrund ihrer Einkommens-und Vermögensverhältnisse auf eigenen Füßen stehen könne. Auf nachehelichen Ehegattenunterhalt wurde gegenseitig verzichtet.
Ebenso verzichteten die Eheleute auf die Durchführung des Versorgungsausgleichs. Der Ehemann verpflichtete sich jedoch zum Ausgleich, auf eine von der Ehefrau abzuschließende und mit Vollendung von deren 65 Lebensjahr fällig werdende Lebensversicherung für die Laufzeit der Versicherung monatlich einen Beitrag in Höhe von Euro 500,00 einzuzahlen.

Nach der Trennung im Jahr 2010 machte sich die Ehefrau mit einem Büroservice selbstständig und verdiente 2011 vor Steuern Euro 17.375,00.

Im Scheidungsverfahren hielt die Ehefrau die Vereinbarung für nichtig und begehrte Zugewinnausgleich undVersorgungsausgleich. Diesem Begehr gaben weder der Amtsrichter noch das OLG statt.

Der BGH hob die OLG-Entscheidung zwar auf, stellte aber fest, dass es mit dem Ausschluss von Zugewinnausgleich und Versorgungsausgleich und wohl auch mit dem Ausschluss des nachehelichen Ehegattenunterhalts seine Richtigkeit habe. Er hielt nochmals fest, dass der vollständige Ausschluss des Versorgungsausgleichs - auch wenn dieser zum Kernbereich der Scheidungsfolgen zählt - auch bei einer Alleinverdienerehe der ehevertraglichen Wirksamkeitskontrolle standhalten kann, wenn die wirtschaftlich nachteiligen Folgen dieser Regelung für den belasteten Ehegatten ausreichend durch Kompensationsleistungen abgemildert werden. Da im vorliegenden Fall eine private Kapitalversicherung und eine Immobilie übertragen wurden, könne hiervon ausgegangen werden.

Die Vereinbarung kippte aber über die Klausel betreffend den Trennungsunterhalt. Nach §§ 1361 Abs. 4 Satz 4, 1360 a Abs. 3 iVm § 1614 BGB ist ein Verzicht auf künftigen Trennungsunterhalt unwirksam und daher nach § 134 BGB nichtig. Zwar hatten die Eheleute hier gar keinen Verzicht auf Trennungsunterhalt vereinbart sondern nur, dass ein solcher Unterhalt gegenseitig "nicht geltend gemacht werde",  also einen so genannten "pactum de non petendo" geschlossen. Dieser führe jedoch wirtschaftlich zu dem gleichen Ergebnis wie ein Unterhaltsverzicht, und sei daher ein unzulässiges und daher unwirksames Umgehungsgeschäft.
Das OLG müsse nun prüfen, ob die Teilnichtigkeit des Notarvertrags Auswirkungen auch auf die übrigen Vertragsklausel habe. Es müsse also prüfen, ob die Eheleute, auch wenn eine Regelung gegen das Trennungsunterhalt nicht zu Stande gekommen wäre, den Vertrag im übrigen sowie geschehen abgeschlossen hätten.


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