Freitag, 19. Juli 2013

OLG Celle:Vergleich nach § 278 VI ZPO kann oft die notarielle Form nicht ersetzen

Die Parteien hatten per Vergleich nach § 278 VI ZPO ein Erbe verteilt und im Vergleich auch gleich die Auflassung einer Immobilie vereinbart. Das Grundbuchamt verweigerte die Eintragung:
Die gemäß § 2033 Abs. 1 Satz 2 BGB erforderliche Form der notariellen Beurkundung für die Erbteilsübertragung sei durch den gemäß § 278 Abs. 6 ZPO festgestellten Vergleich nicht gewahrt.

Das Gericht führte aus:
"Der Sinn und Zweck einer notariellen Beurkundung, die Parteien vor übereilten Entscheidungen zu schützen und sie auf eventuelle Gefahren hinzuweisen, ist durch einen im schriftlichen Verfahren geschlossenen Vergleich nach § 278 Abs. 6 ZPO kaum zu gewährleisten. Dies mag allenfalls der Fall sein, wenn entweder die Prozessbevollmächtigten der Parteien diese Funktion übernehmen oder aber das Gericht einen eigenen Vorschlag unterbreitet und darüber hinaus den Parteien durch entsprechende Anmerkungen vor Augen geführt hat, welche Verpflichtung sie mit dem Abschluss des Vergleichs eingehen und welche Risiken bestehen. Letztlich braucht vorliegend aber nicht entschieden zu werden, ob dies für die Wahrung der Form der notariellen Beurkundung im Sinne von § 127 a BGB ausreichend ist. Denn aus dem zugrunde zu legenden Sachverhalt ergibt sich nicht, dass die damaligen Prozessbevollmächtigten oder das Gericht eine solche Belehrung vorgenommen hätten."

OLG Celle 4 W 65/13 


Montag, 15. Juli 2013

BGH: Kindesunterhalt auch dann noch, wenn sich die Ausbildung wegen Praktika um drei Jahre verzögert.

Die 1989 geborene Tochter lebte nach der Trennung ihrer Eltern im Jahr 1997 zunächst im Haushalt des Vaters in den Niederlanden, bevor sie 2003 zu ihrer Mutter nach Deutschland wechselte. Dort erwarb sie 2007 die mittlere Reife mit einem Notendurchschnitt von 3,6. Anschließend trat sie als ungelernte Kraft in verschiedene Beschäftigungsverhältnisse ein und leistete Praktika zum Teil in der Erwartung, auf diese Weise Zugang zu einem Ausbildungsplatz zu erhalten. Dadurch deckte sie ihren Unterhaltsbedarf in der Zeit von Juli 2007 bis Juli 2010 selbst ab. Im August 2010 begann sie eine Ausbildung als Fleischereifachverkäuferin und wollte nun vom Vater Ausbildungsunterhalt.

Dieser verweigerte die Zahlung mit dem Argument, die Tochter habe die Ausbildung zu lange unterbrochen und deswegen nun keinen Anspruch mehr darauf, dass er die nun fortgesetzte Ausbildung finanziere.

Der BGH, XII ZB 220/12  war anderer Ansicht. Hier ein Ausschnitt aus der Pressemitteilung: "Auch eine dreijährige Verzögerung der Aufnahme einer Erstausbildung infolge zwischenzeitlich geleisteter Praktika und ungelernter Tätigkeiten ...(kann)... noch der Obliegenheit des Kindes entsprechen... , seine Ausbildung planvoll und zielstrebig aufzunehmen.
Bewerber mit schwachem Schulabgangszeugnis seien verstärkt darauf angewiesen, durch Motivation und Interesse an dem Berufsbild zu überzeugen. Dies könne auch durch vorgeschaltete Berufsorientierungspraktika oder mittels eines Einstiegs über eine (zunächst) ungelernte Aushilfstätigkeit gelingen. Die Aufnahme solcher vorgelagerter Beschäftigungsverhältnisse bedeute daher jedenfalls dann keine nachhaltige Obliegenheitsverletzung, wenn sie in dem Bemühen um das Erlangen eines Ausbildungsplatzes geschehe" 


Samstag, 13. Juli 2013

BGH nochmals: Detektivkosten für GPS-Überwachung nicht erstattungsfähig

Der unterhaltspflichtige Ehemann vermutete, dass die Ehefrau eine Beziehung zu einem anderen Mann hatte und deshalb der Unterhalt nach § 1578 Nr. 2 BGB verwirkt sein. Er ließ sie zum Nachweis durch einen Detektiv überwachen. Dieser brachte, um ein Bewegungsprofil zu erstellen, einen GPS-Sender am Fahrzeug der Ehefrau an.
Auch der 12. Senat entschied nun, dass diese Art der Übeerwachung gegen das informationelle Selbstbestimmungsrecht der Ehefrau verstoße. Die Ergebnisse seien nicht verwertbar und die Kosten für die Überwachung daher nicht zu erstatten, BGH XII ZB 107/08. Hier die Pressemeldung zum Urteil.

Schon zuvor hatte der 1. Strafsenat des BGH und das LG Mannheim ähnlich entschieden.


Mittwoch, 10. Juli 2013

Im Rahmen des Verfahrens nach § 1598 a BGB hat das Kind gegen den vermuteten Vater keinen Anspruch auf Abgabe eines genetischen Fingerabdrucks

So jedenfalls das OLG Nürnberg, BeckRS 2013, 10703: "Das Verfahren und der Anspruch auf Einwilligung in eine genetische Untersuchung zur Klärung der leiblichen Abstammung des Kindes gemäß § BGB § 1598 a Abs. BGB § 1598a  Absatz 1 Satz 1 Nr. 3 BGB sind nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgericht (FamRZ 2007,  Seite 441) ausschließlich auf die Klärung der Frage gerichtet, ob der rechtliche auch der leibliche Vater des Kindes ist. Deshalb hat auch ein Kind keinen Anspruch gegen den vermuteten leiblichen Vater auf Abgabe einer geeigneten Körperprobe zur genetischen Abstammungsuntersuchung. Dem Kind ist es zuzumuten, innerhalb der Anfechtungsfrist wenigstens ein Verfahren nach § BGB § 1598 a BGB gegen den rechtlichen Vater einzuleiten (§ BGB § 1600 b Abs. BGB § 1600B Absatz 1 Satz 2, Abs. BGB § 1600B Absatz 3 Satz 3, Abs. BGB § 1600B Absatz 5 BGB) und sich so gegebenenfalls mit Hilfe eines anschließenden Vaterschaftsfeststellungsverfahrens (§ BGB § 1600 d BGB) Kenntnis von seiner Abstammung zu verschaffen. Für eine erweiternde verfassungskonforme Auslegung von § BGB § 1598 a BGB oder eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht gemäß Art. GG Artikel 100 GG besteht kein Raum."

Dienstag, 9. Juli 2013

OLG Koblenz: Die Regelstreitwerte des § 48 FamGKG gelten auch, wenn ein Ehegatte beim anderen Nutzungsentschädigung geltend macht

Bei Streitigkeiten um die Ehewohnung sieht § 48 FamGKG feste Werte vor: Vorläufige Regelungen während des Getrenntlebens haben einen Gegenstandswert von 3000,00 und endgültige nach der Scheidung einen solchen von 4.000,00 €.
Das OLG Koblenz Beck RS 2013, 10431 hat sich nun auf den Standpunkt gestellt, dass diese Werte auch dann gelten, wenn ein Ehegatte beim anderen Nutzungsentschädigung geltend macht. Und das selbst dann, wenn  eine Nutzungsentschädigung im Höhe von insgesamt 8450,00 im Raum steht.

Mit anderen Worten: Der Rechtsanwalt hat ein Haftungsrisiko von € 8450,00, verdient sein Honorar aber nur aus € 3000,00. Warum das OLG unter diesen Umständen keinen Sonderfall i.S.v. § 48 III FamGKG gesehen hat, ist nicht recht verständlich.

Montag, 8. Juli 2013

BGH: Keine vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung mehr in der Revision

Wer sich bereits in zweiter Instanz um die Herabsetzung oder den Wegfall von Unterhalt bemüht und auch hier auf Granit zu beißen scheint, der muss - auch wenn er noch nicht weiss, wie die Sache ausgeht und ob er in Revision geht, jetzt beizeiten Antrag auf Einstellung der Zwangsvollstreckung stellen. Denn vorm BGH ist es dafür zu spät: 
BGH XII ZB 19/13 = BeckRS 2013, 11314 "Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wie sie zum Revisions- und Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren ergangen ist, kommt eine Einstellung der Zwangsvollstreckung durch das Revisionsgericht nicht in Betracht, wenn der Schuldner es versäumt hat, im Berufungsrechtszug einen Vollstreckungsschutzantrag gemäß § ZPO § 712 ZPO zu stellen, obwohl ihm ein solcher Antrag möglich und zumutbar gewesen wäre (vgl. Senatsbeschlüsse vom 6. April 2011 - XII ZR 111/10 - FamRZ 2011, FAMRZ Jahr 2011 Seite 884; vom 24. November 2010 - XII ZR 31/10 - NJW-RR 2011, NJW-RR Jahr 2011 Seite 705; vom 4. Juni 2008 - XII ZR 55/08 - NJW-RR 2008, NJW-RR Jahr 2008 Seite 1038; vom 6. Juni 2006 - XII ZR 80/06 - NJW-RR 2006, NJW-RR Jahr 2006 Seite 1088 und vom 4. September 2002 - XII ZR 173/02 - NJW-RR 2002, NJW-RR Jahr 2002 Seite 1650). Zumutbar ist ein solcher Antrag unabhängig davon, ob die Partei damit rechnet, dass das Berufungsgericht die Revision zulassen werde."