Mittwoch, 23. März 2011

OLG Koblenz: Auch ein Kind, dessen Eltern in Afghanistan unerreichbar sind, braucht keinen Vormund

Das schwer herzkranke Kind war mit dem Einverständnis seiner afghanischen Eltern und durch Vermittlung einer Hilfsorganisation nach Deutschland gekommen und wird hier medizinisch versorgt. Die Eltern haben die Ausübung der elterlichen Sorge komplett an einen hiesigen Dritten übertragen. Sie selbst sprechen nicht Deutsch und haben zwar einen festen Wohnsitz, aber keine Postadresse und sind nur über den Dorfvorsteher und den Muezzin der Nachbargemeinde zu erreichen. Deshalb wollten die Verantwortlichen in Deutschland eine Vormundschaft einrichten. Ihren Antrag hat das OLG Koblenz zurückgewiesen.In seinem Urteil vom 24.02.2012, Az. 11 UF 153/11 argumentierte das Gericht:
"Es ist allgemein anerkannt, dass für die Einrichtung einer Vormundschaft eine bloße physische Abwesenheit nicht ausreicht, wenn die Eltern, sei es durch Hilfskräfte, bei der Ausübung der elterlichen Sorge ihr Kind gut versorgt wissen und auf der Grundlage moderner Kommunikationsmittel oder Reisemöglichkeiten auch aus der Ferne Einfluss auf die Ausübung der elterlichen Sorge nehmen können (vgl. BGH FamRZ 2005, 29 f. m.w.N.)."
Diese Voraussetzungen lägen auch hier noch vor, auch wenn die Kommunikation der Eltern mit dem Kind und die der Verantwortlichen mit den Eltern nur auf Umwegen funktioniere. Die Voraussetzungen des § 1773 BGB für eine Vormundschaft lägen damit nicht vor, da tatsächlich noch - wenn auch etwas mühsam - die Möglichkeit zur Ausübung der elterlichen Sorge bestehe. Die Sorge an sich existiere also noch, sie ruhe auch nicht. 


Diese Entscheidung betrifft zwar einen Sachverhalt, der nicht allzu häufig ist, hat aber Auswirkungen auf alltägliche Sachverhalte. Mit dieser Entscheidung dürfte es noch schwieriger werden, Elternteilen die elterliche Sorge zu entziehen, bloss weil sie sich weit entfernt vom Kind aufhalten (Montagetätigkeit auf eine Ölbohrinsel, Koch auf einem Kreuzfahrtschiff). Auch eingeschränkte Kommunikation ist kein Grund, an der elterlichen Sorge zu rütteln, wenn die Auswirkungen mangelnder Erreichbarkeit durch eine entsprechende Vollmacht kompensiert werden. 


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(C) Foto: JDBeutler auf www.pixelio.de