Montag, 24. Januar 2011

Fokus-Familienrecht-Serie: Bausteine des Unterhaltsrechts - #03: Keine VKH für Geltendmachung rückübertragener Unterhaltsansprüche

BGH-die-Unterhalts-KlassikerSeit In-Kraft-Treten des neuen Unterhaltsrechts am 01.01.2008 hat der BGH rund 100 Entscheidungen zum Unterhaltsrecht gefällt.
Gut 30 davon stuft Hans- Joachim Dose, stellvertretender  Vorsitzender des XII. Zivilsenats  im Rahmen seiner Fortbildungs- Seminare für Anwälte bei der Gesellschaft für Juristeninformation als besonders wichtig ein. Fokus Familienrecht stellt in  loser Folge diese gut 30 Grundsatz-Entscheidungen vor. Heute Baustein Nr. 3:

Keine Verfahrenskostenhilfe, wenn Unterhaltsansprüche geltend gemacht werden, die vom Sozialversicherungsträger rückübertragen worden sind

Nicht selten -  vor allem direkt nach der Trennung - zahlt der Unterhaltspflichtige zunächst einmal gar keinen Unterhalt, oft nur, weil er nicht weiß, welcher Betrag genau zu zahlen ist. Der Unterhaltsberechtigte wendet sich dann (mit Ausnahme der minderjährigen Kinder, die einen Unterhaltsvorschuss vom Jugendamt bekommen) an den zuständigen Sozialversicherungsträger mit der Bitte um Unterstützung. Von dort kommen dann auch Leistungen. Soweit aber geleistet worden ist, geht der Unterhaltsanspruch des Berechtigten im Wege des gesetzlichen Forderungsüberganges auf den Sozialversicherungsträger über.

In der Vergangenheit übertrug der Sozialversicherungsträger den Unterhaltsanspruch, den er nun gegen den Unterhaltspflichtigen hatte, auf den Unterhaltsberechtigten zurück, damit dieser ihn bei Gericht geltendmachen sollte. Das tat dieser dann auch brav und beantragte, da er ja bedürftig im Sinne von § 114 ZPO war, für das Verfahren Prozesskostenhilfe.
Ein Teil von Lehre und Rechtsprechung hielt das für zulässig (zitiert in der hier zu besprechenden BGH-Entscheidung XII ZB 266/03 v. 02.04.2008, dort Rz. 9 mit weiteren Nachweisen). Nachdem das faktisch jedoch zur Folge hatte, dass der Sozialversicherungsträger seine Rechtsverfolgungs-Kosten auf die Prozesskostenhilfe übertrug, also eine öffentliche Kasse zu Lasten einer anderen öffentlichen Kasse agierte, war ein anderer Teil von Rechtsprechung und Lehre der Meinung, es dürfe hier keine Prozesskostenhilfe (beziehungsweise Verfahrenskostenhilfe) geben (vgl. Urteil , Rz. 11 mit weiteren Nachweisen).

Der BGH hat sich in seiner Entscheidung der zweiten Meinung angeschlossen, und zwar mit folgender Begründung:
Der Unterhaltsanspruch ist durch die Leistung des Sozialversicherungsträgers zunächst im Wege der cessio legis auf diesen übergegangen. Da Sozialversicherungsleistungen in aller Regel nicht unter dem Vorbehalt der Rückzahlung oder als Darlehen gewährt werden, ist durch die Leistung des Sozialversicherungsträgers das Interesse des Unterhaltsberechtigten an der Geltendmachung des Anspruchs erloschen. Der Regress erfolgt allein im Interesse des Sozialversicherungsträgers.
Überträgt dieser den Anspruch auf den Unterhaltsberechtigten zurück, ändert das an der Interessenlage nichts. Die Übertragung erfolgt auf zivilrechtlichem Wege nach § 398 BGB, wobei ein Auftragsverhältnis nach § 662 BGB zu Grunde liegt. Der Unterhaltsberechtigte wird damit ausschließlich im Interesse des Sozialhilfeträgers tätig. Es könne aber - so der BGH - nicht Aufgabe der Prozesskostenhilfe sein, die vorrangig den Sozialämtern obliegende Durchsetzung eigener Aufwendungen zu finanzieren.


Etwas anderes gilt nur, wenn der Unterhaltsberechtigte zugleich laufende Unterhaltsansprüche geltend macht. Dazu ist er berechtigt, auch wenn der Sozialversicherungsträger laufend Leistungen erbringt. Denn solange die Leistungen noch nicht erbracht sind, ist der Unterhaltsberechtigte noch anspruchsberechtigt und kann klagen. Sind die Leistungen erbracht, ist er lediglich verpflichtet, die Klage auf Zahlung an den Sozialversicherungsträger umzustellen, soweit geleistet wurde. Trotzdem hat er zum Zeitpunkt der Klageerhebung ein eigenes Interesse und ist damit auch berechtigt, Prozesskostenhilfe beziehungsweise jetzt Verfahrenskostenhilfe in Anspruch zu nehmen.
Fallen in die rückübertragenen Ansprüche dann im Verhältnis zu den aktuellen Ansprüchen kostenmäßig nicht mehr ins Gewicht, kann für die gesamte Klage, also auch für die Geltendmachung der übertragenen Ansprüche Prozesskostenhilfe beziehungsweise Verfahrenskostenhilfe erteilt werden.


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Die bisherigen "Bausteine":
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