Donnerstag, 13. Januar 2011

Fokus-Familienrecht-Serie: Bausteine des Unterhaltsrechts - #01: Die wandelbaren ehelichen Lebensverhältnisse

Seit In-Kraft-Treten des neuen Unterhaltsrechts am 01.01.2008 hat der BGH rund 100 Entscheidungen zum Unterhaltsrecht gefällt.
Gut 30 davon stuft Hans- Joachim Dose, stellvertretender  Vorsitzender des XII. Zivilsenats  im Rahmen seiner Fortbildungs- Seminare für Anwälte bei der Gesellschaft für Juristeninformation als besonders wichtig ein. Fokus Familienrecht stellt in  loser Folge diese gut 30 Grundsatz-Entscheidungen vor. Heute Baustein Nr. 1:


Das Prinzip der wandelbaren ehelichen Lebensverhältnisse

Mit Urteil XII ZR 14/06 stellte der BGH am 06.02.2008 klar, dass bei der Berechnung nachehelichen Unterhalts spätere Änderungen des verfügbaren Einkommens grundsätzlich zu berücksichtigen sind, und zwar unabhängig davon, wann sie eingetreten sind, ob es sich um Minderungen oder Verbesserungen handelt oder ob diese Änderungen auf Seiten des Unterhaltspflichtigen oder des Unterhaltsberechtigten eintreten.

Das Unterhaltsrecht will den geschiedenen Ehegatten nicht besser stellen, als er schon während der Ehe stand. Deshalb sind auch nur solche Steigerungen des verfügbaren Einkommens mit zu berücksichtigen, die schon in der Ehe angelegt waren (also nicht die Einkünfte aus einem sogenannten Karrieresprung).

Sinkt das Einkommen des Unterhaltsverpflichteten, sinkt auch der Unterhalt, wobei dieser Mechanismus erst im Verstoß gegen die nacheheliche Solidarität seine Grenze findet, also dort, wo der Unterhaltsverpflichtete sein Einkommen unterhaltsbezogen leichtfertig herabgemindert ("Dann geh ich unter die Brücke!!"). In der vorliegenden Entscheidung stellt der BGH ausdrücklich fest, dass es nicht unterhaltsbezogen leichtfertig ist, als geschiedener Ehemann eine neue Beziehung einzugehen und in dieser Beziehung wieder Kinder zu bekommen, was natürlich zusätzliche Unterhaltsverpflichtungen zur Folge hat, die neben die Unterhaltspflichten aus der früheren Ehe treten.

Der BGH stellt nochmals klar, dass er von der früheren Rechtsprechung ausdrücklich Abstand nimmt, die eine starre Grenze für die Bemessung des Bedarfs zum Zeitpunkt der Rechtskraft der Scheidung zog. Alles, was vorher geschehen war, war "eheprägend". Der Bedarf war praktisch auf die Verhältnisse zu diesem Zeitpunkt "festgeklopft". Korrekturen nach unten konnten nur noch über die fehlende Leistungsfähigkeit vorgenommen werden.
Diese starre Grenze führte teilweise zu zufälligen Ergebnissen: Kam beispielsweise ein Kind aus einer neuen Beziehung noch vor Rechtskraft der Ehescheidung zur Welt, prägten die dadurch entstehenden neuen Unterhaltsansprüche noch die Lebensverhältnisse der alten Ehe. Kam das Kind erst nach Rechtskraft der Scheidung zur Welt, prägten sie die ehelichen Lebensverhältnisse nicht mehr. Um dieser
Willkür zu entgehen, berücksichtigt der BGH ab der hier erörterten Entscheidung neu entstehende Unterhaltsverpflichtungen bereits beim Bedarf und nicht erst bei der Leistungsfähigkeit.
Natürlich sind diese Verpflichtungen nicht mehr im eigentlichen Sinne "eheprägend". Dieser Begriff ist für die Frage der Beurteilung des Bedarfs ab dieser Entscheidung überholt. Er sollte nicht mehr verwendet werden. Besser dürfte der von Gerhardt (zuletzt in FamRZ 2011, S. 8ff, 11) ins Gespräch gebrachte Begriff " berücksichtigungswürdig" sein.

Fokus-Familienrecht Schnell-Info zum Urteil ( zum Vergrößern anklicken):



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Die bisherigen "Bausteine":


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